Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) hat am 7. April 2010 das neue »Jahrbuch Sucht 2010« in Berlin vorgestellt. Im Titel der Pressemitteillung dazu heißt es »Suchtmittelkonsum bleibt stabil – auf extrem hohem Niveau!« und der Text beginnt mit den Worten »Das Konsumverhalten der Bundesbürger ändert sich kaum.« Im Text heißt es dann aber, dass sich das Konsumverhalten der Bundesbürger doch erheblich verändert hat:
»Die Zahlen von psychischen Störungen und von Verhaltenstörungen durch Alkohol – Akute Intoxikation (2008 insgesamt 109.283) stieg von 2007 auf 2008 in allen Alterstufen.« Und im Vergleich zum Jahr 2000 stiegt die Zahl der akuten Intoxikationen massiv an: »Bei den 10-20-Jährigen um 170,2%, in den Altersgruppen 65-70 Jahre und 75-80 Jahre jeweils um 165% und in den Altersgruppen 70-75 Jahre und 80-85 Jahre jeweils über 200%. Lediglich in den Altersgruppen zwischen 35 und 50 Jahren lagen die Zuwachsraten Akuten Rausches unter 10%. Akuter Rausch und sog. Komasaufen ist nicht allein ein jugendspezifisches Alkoholproblem.«
Der Text zu Beginn der Pressemitteilung entspricht nun wahlich nicht den Tatsachen und ist absolut irreführend. Eben typisch DHS. Die weiter unten aufgeführten Zahlen stimmen weitgehend mit den Daten des Statistischen Bundesamtes bezüglich der Krankenhausdiagnosestatistik überein. Vergleiche hierzu auch »Wer säuft in Deutschland am meisten?« in diesem TAZ-Blog.
Deutsche Meister im Komasaufen
Von den 15 Kreisen und Städte mit den höchsten Werten (in Relation zur Einwohnerzahl) in Sachen Krankenhauseinlieferung wegen akuter Alkoholintoxikation liegen neun in Bayern, zwei in Rheinland-Pfalz, zwei in Mecklenburg-Vorpommern und je eine Stadt in Sachsen-Anhalt und Thüringen. In Bamberg müssen dreimal so oft wie im Bundesdurchschnitt Jugendliche wegen zu viel Alk mit Tatütata ins Krankenhaus. In Berlin und Hamburg liegt die Zahl weit unter dem Bundesdurchschnitt. Hier die Rangfolge der Meister im Komasaufen (mit den häufigsten Krankenhauseinlieferungen wegen Alkoholvergiftung):
Ob die massive Zunahme von vom Alkohol bedingten Krankenhauseinweisungen in einem Zusammenhang mit der in den letzten zehn Jahren hysterisch geführten Kampagne gegen Cannabis respektive gegen die Kiffer seitens der früheren Drogenbeauftragten Marion Caspers-Merk (SPD) und Sabine Bätzing (SPD) steht, darüber schweigt sich die DHS aus, obwohl dies sicherlich ein interessantes Forschugsfeld wäre.
Der Schweizer Hanfbauer Bernard Rappaz aus Saxon im Kanton Wallis ist einer der Hanfpioniere der Schweiz. Sein Unternehmen produzierte Hanfduftkissen, was er im Sommer 1996 der Kantonspolizei mitteilte. Der Anbau, Besitz und Handel mit Hanf war seinerzeit in der Schweiz nicht illegal. Man inspizierte seinen Betrieb, schritt aber nicht ein. Dann im Dezember 1996 wurde er doch verhaftet. Er ging für 42 Tage in einen Hungerstreik, bevor er aus der Haft entlassen wurde. Im November 1997 nahm Rappaz mit seiner Züchtung »Walliser Queen« am Cannabis Cup der US-Zeitschrift »High Times« in Amsterdam teil. Im Januar 1999 gewann er damit den ersten Preis beim »Canna Swiss Cup« in Bern. Rappaz ist Gründer und Geschäftsführer der Hanf-Kooperative Valchanvre (deutsch: Hanftal). Über 100 Polizeibeamte führten in der Kooperative eine Razzia durch und konfiszierten 50 Tonnen Cannabis. Rappaz wird beschuldigt, Hanf anzubauen, das mehr als die erlaubten 0,3 % THC enthält.
Am 14.11.2001 wurde Rappaz erneut verhaftet und kam in Untersuchungshaft. Wieder nahm Rappaz einen Hungerstreik auf. Am 56. Tag wurde er aufgrund gesundheitlicher Probleme in ein Krankenhaus eingeliefert. Er protestierte mit seiner Aktion gegen die Verfolgung von Cannabisbauern. Am 25. Januar 2002, dem 73. Hafttag, hob das Gericht die Haftanordnung auf. Ausschlaggebend sei gewesen, das keine Verdunklungsgefahr bestehe. Die Wochenzeitung »Die Weltwoche« zitierte Rappaz am 31. Januar 2002 unter dem Titel »Der Alpen-Gandhi« mit den Worten: »Ich bevorzuge einen langsamen und bewussten Tod, für den schweizerischen Hanf und für eine bessere Welt.«
Dieser vor fast zehn jahren ausgesprochenen Satz bereitet derzeit der helvetischen Justiz großes Kopfzerbrechen. Nach jahrelangen Verhandlungen wurde Bernard Rappaz, der Walliser Hanfbauer, im Oktober 2008 wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz und anderem zu einer Gefängnisstrafe von 5 Jahren und 8 Monaten verurteilt. Im April 2009 wurde das Urteil vom Schweizerischen Bundesgericht bestätigt. Am 20. März 2010 wurde Rappaz verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Dort begann er mit einem Hungerstreik. Aufgrund von Hungerstreiks gewährte man ihm zwei Haftunterbrüche. Der zweite für die Dauer von 15 Tagen datiert vom 7. Mai dieses Jahres, damit Rappaz sich von den Strapazen seines Hungerstreiks erholen könne. Danach wurde Rappaz wieder inhaftiert und wegen eines neuerlichen Hungerstreiks wurde der 57-jährige Rappaz in der Gefangenenabteilung des Genfer Universitätsspitals verlegt. Da Rappaz jedoch eine Patientenverfügung verfasst hat, in der er ausdrücklich eine Zwangsernährung ablehnt, haben die Ärzte in Genf aus ethischen Gründen von einer Zwangsernährung abgesehen. Darauf hin wurde Rappaz am 12. Juli 2010 in das Inselspital in Bern zwangsverlegt.
Zwangsernährung ethisch vertretbar?
Ob eine Zwangsernährung im Falle Rappaz ethisch vertretbar ist, darüber streiten sich derzeit Juristen und Ärzte in der Schweiz auf das allerheftigste. Der Anwalt von Hanfbauer Bernard Rappaz, Aba Neeman, hat am Montag, 19. Juli 2010, beim Walliser Kantonsgericht gegen den Entscheid von Regierungsrätin Esther Waeber-Kalbermatten protestiert. Diese hatte einer Zwangsernährung zugestimmt. Das Berner Inselspital, in dem sich der Hanfbauer zurzeit aufhält, will sich nicht dazu äußern. Laut Anwalt Aba Neeman, geht Regierungsrätin Esther Waeber-Kalbermatten über die Richtlinien des Bundesgerichts und des Europäische Menschenrechtshofs betreffend einer Zwangsernährung hinaus. Zumal sein Klient noch immer bei Bewusstsein sei. Neeman weiß jedoch nicht genau, ob der Hanfbauer bereits zwangsernährt wird oder nicht. Das Berner Inselspital gibt mit Verweis auf die ärztliche Schweigepflicht darüber keine Auskunft.
Laut den Richtlinien der Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) muss der Entscheid des Häftlings »medizinisch respektiert werden, selbst im Falle eines großen Risikos für die Gesundheit.« Voraussetzung dafür sei jedoch, dass seine Fähigkeit zur Selbstbestimmung von einem unabhängigen Arzt bestätigt worden sei. In diesen Richtlinien heißt es zudem weiter: »Fällt die Person im Hungerstreik in ein Koma, geht der Arzt nach seinem Gewissen und seiner Berufsethik vor, es sei denn, die betreffende Person habe ausdrückliche Anordnungen für den Fall eines Bewusstseinsverlustes hinterlegt, auch wenn diese den Tod zur Folge haben können.«
Gemäß einer Meldung von »swissinfo.ch« vom 18. Juli 2010 darf der Staat Bernard Rappaz sterben lassen. Staat und Ärzte müssen den Willen des Walliser Hanfbauers, der sich aus Protest gegen seine Gefängnisstrafe notfalls zu Tode hungern will, respektieren, sagt Ruth Baumann-Hölzle von der Nationalen Ethikkommission. »Sei eine Person urteilsfähig und gehe von ihr keine Gefahr für Dritte aus, sei deren Recht auf Abwehr von Zwangsmassnahmen höher zu gewichten als die Fürsorgepflicht des Staates«, sagt Ruth Baumann-Hölzle im Interview. Das Schicksal des hungerstreikenden Rappaz liegt derweil in den Händen der Ärzte des Berner Inselspitals. Ihnen liegt seit Freitagnachmittag der Entscheid der Walliser Staatsrätin Esther Waeber-Kalbermatten vor, Rappaz solle zwangsernährt werden.
Ruth Baumann-Hölzle sagte weiter im Interview: »Heute gilt jede medizinische und pflegerische Handlung als Körperverletzung. Nur die Einwilligung der urteilsfähigen Patientin oder des urteilsfähigen Patienten lässt die lebenserhaltende Maßnahme zu. Wir haben die Freiheit der Selbstschädigung, und das Abwehrrecht wird normalerweise höher gewichtet als die Fürsorgeverpflichtung des Staats zur Lebenserhaltung bei Urteilsfähigen. [...] Die Besonderheit der Situation besteht darin, dass er sich in Haft befindet. Da hat der Staat eine erhöhte Fürsorgepflicht. Aber auch in diesen aussgewöhnlichen Situationen wie beispielsweise auch in der Psychiatrie dürfen Zwangsbehandlungen nur in Notsituationen vollzogen werden. Das ist dann der Fall, wenn ein Patient nicht urteilsfähig ist. Das Abwehrrecht erlischt auch beim Gefangenen nicht. Man darf bei Zwangsbehandlungen nur soweit gehen, dass man bei Betroffenen die Fremdgefährdung außer Kraft setzt. Eine Inhaftierung bedeutet also nicht, dass man den Gefangenen auch zwangsbehandeln darf. [...] Herr Rappaz hat eine Verfügung verfasst, dass er in dieser spezifischen Situation nicht zwangsernährt werden will. Weil er diese Situation antizipiert, müsste man sich an die Verfügung halten und man darf ihn nicht zwangsernähren, auch wenn er nicht mehr urteilsfähig sein sollte.«
Die Zürcher SonntagsZeitung berichtete am 19. Juli 2010 in ihrer Onlineausgabe unter dem Titel »Anwalt von Bernard Rappaz protestiert gegen Zwangsernährung«, das andere Experten eine Zwangsernährung für legitim ansehen. Das Bundesgericht habe letzte Woche eine Zwangsernährung Rappaz’ indirekt gestützt und komme damit den Ärzten bei ihrer Entscheidung zu Hilfe. So sah es auch die Zürcher Strafrechtsprofessorin Brigitte Tag in der Sendung »Rendez-vous« von Schweizer Radio DRS. Das Bundesgericht eröffne mit seinem Urteil dem verantwortlichen Arzt die Möglichkeit zu sagen: »Ich kann zwangsernähren, wenn ich es mit meinen Gewissen vereinbaren kann«, sagte die Professorin. Es sei hier jedoch angemerkt, dass des Arztes Gewissen in diesem Fall gegen die Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften agieren müsste.
Cannabis und Freiheit
Esther Waeber-Kalbermatten studierte Pharmazie in Bern und erlangte im Jahr 1979 das eidgenössische Diplom als Apothekerin. 1993 wurde sie als Mitglied der Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) in den Großen Rat des Kantons Wallis gewählt und hatte dort bis 2005 Einsitz. Von 1997 bis 2009 war sie zudem Gemeinderätin von Brig. Am 4. März 2009 wurde sie in den Staatsrat gewählt und steht seither dem Departement für Sicherheit, Sozialwesen und Integration vor.
Aufgrund ihres Studiums der Pharmazie weiß Waeber-Kalbermatten sehr genau, dass Rappaz mit seiner Behauptung aus wissenschaftlicher Sicht recht hat, Alkohol sei viel gefährlicher für die Gesundheit des Einzelnen und für die Gesellschaft als Ganzes als berauschende Cannabisprodukte. Im Kanton Wallis werden sehr viele alkoholische Getränke hergestellt. An den von der Sonne verwöhnten Hängen auf der Nordseite des Rhonetals herrscht im Unterwallis (flächendeckend) und im Mittelwallis (teilweise) Rebbau vor, stellenweise auch in den Seitentälern. Neben der Leitsorte Fendant wird in neuerer Zeit wieder vermehrt auf alte, ortstypische Sorten wie Humagne (weiß und rot), Arvine oder Malvoisie zurückgegriffen. In Visperterminen befindet sich der höchste Weinberg nördlich des Alpenhauptkamms. Zudem werden in der Rhonetalebene in großem Stil Früchte angebaut, vor allem Aprikosen und Williamsbirnen, die zu Schnaps verarbeitet werden. Die Walliser produzieren alkoholische Getränke in großem Stil und von diesen Getränken geht eine weitaus größere Gefahr aus als von den von Rappaz produzierten Hanfpflanzen. Rappaz will mit seinem Hungerstreik auf die unerträgliche Ungerechtigkeit des Hanfverbotes aufmerksam machen, was ihm bis jetzt sehr gut gelungen ist.
Bernhard Rappaz ist ein Freiheitskämpfer, er kämpft für die freie Wahl der Rauschmittel und insbesondere gegen das Hanfverbot. Rappaz wird in der Schweiz auch als Wilhelm Tell oder Arnold Winkelried der Jahrtausendwende bezeichnet. Andere nannten ihn schon den »Gandhi der Alpen«. Rappaz hat wie kaum ein anderer Schweizer den Satz »gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht« aus der Präambel der Schweizer Bundesverfassung verinnerlicht. Im urschweizerischen Sinn ist Bernard Rappaz ein vorbildlicher Schweizer. Möge er noch lange in Freiheit leben!
Diese Worte fand ich nicht in Überschriften von Artikeln in der Boulevardpresse, nein, sie krönten eine Pressemitteilung der Deutschen Hauptstelle für Suchtgefahren e.V (DHS) vom 12. August dieses Jahres. Der ganze Titel der Pressemitteilung lautet: »Muschi, Ficken und Arschgeweih – Deutscher Werberat versagt!«
Deutscher Werberat versagt!
Beim Deutschen Werberat weiß die rechte Hand nicht was die linke tut. Ein ums andere Mal wird deutlich, dass die so genannte »freiwillige Selbstregulierung der Werbewirtschaft« bei Alkoholwerbung nicht funktioniert. Sexistische Alkoholwerbung, auf Jugendliche gerichtetes Produktdesign neu erfundener Alkoholgetränke, Nutzung des positiven Images des Sports zur Verkaufsförderung – all dies ist in Deutschland unter dem Deckmantel der freiwilligen Selbstregulierung möglich. Offensichtlich ist der Werberat mit seinen Aufgaben völlig überfordert und wird der Flut neuartiger Werbemethoden und kreativer Werbestrategen nicht mehr Herr.
Unfähigkeit, Zufall oder bewusstes Verwirrspiel? Einige Beispiele für das heillose Durcheinander beim Deutschen Werberat: Auf der einen Seite rügt der Deutsche Werberat die Verwendung des Begriffs »Muschi« in der Alkoholwerbung für ein von den Herstellern selbsternanntes »Kultgetränk« und verkündet, »damit würden Frauen in unerträglicher Weise auf ihre sexuelle Funktion reduziert«. Auf der anderen Seite lehnt er eine Beschwerde der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) gegen die Verwendung desselben Begriffs in einer anderen Alkoholwerbung ab. Originalzitat: »Schließlich ist die Bezeichnung „Kalte Muschi“ unseres Erachtens auch nicht diskriminierend in Bezug auf Frauen.« Frage: Was gilt nun?
Der Hersteller des Likörs »Ficken« wird öffentlich gerügt mit der Begründung, die Bewerbung seines Produktes verstoße gleich mehrfach gegen die Grundsätze des Deutschen Werberats. Ist aber scheinbar nicht so schlimm, denn die Internetseite, über die das Getränk vermarktet wird, existiert weiter. Konsequenzen – Fehlanzeige!
»Pussywunder« bewarb auf Flyer und Internetseite eine Produktpalette verschiedener Spirituosen mit besonders sexistischen und geschmacklosen Namen. Zur Hintergrundgestaltung wurden nackte Frauensilhouetten verwendet. Auf Beschwerde von mehreren Seiten nahm der Deutsche Werberat Kontakt zum Betreiber auf, woraufhin dieser sich bereit erklärte, die Werbung zu ändern oder nicht mehr zu schalten. Die Seite ging tatsächlich vom Netz – aber nur, um die Produkte auf anderen Websites zu vermarkten. Nachhaltigkeit – für den Werberat ein Fremdwort!
Aber auch Hersteller allseits bekannter und absatzträchtiger Biermarken scheuen sich nicht, die Werbung für ihre Erzeugnisse so zu gestalten, dass sie als Ansprache von Kindern und Jugendlichen missverstanden werden kann. Dies zu verhindern, waren die Organisationen und Verbände der Alkoholproduzenten und der Werbewirtschaft einst vorgeblich angetreten. Doch die Verwendung jugendlicher Models, die Übernahme des Sprachstils der Jugendkultur, die Nutzung von Handys und sozialen Netzwerken wie »facebook« und »myspace« zur Verbreitung ihrer Marketingbotschaften sprechen eine entgegengesetzte Sprache: Hier werden gezielt junge Menschen angesprochen! Dies müsste der Werberat eigentlich verhindern. Er müsste auch nicht auf Beschwerden von Bürgern oder Suchtexperten warten, nein, »der Werberat kann auch von sich aus ein Verfahren einleiten« (Artikel 1.2 Verfahrensordnung bei Beschwerden). Frage: Warum tut er das nicht?
Glaubt man dem Deutschen Werberat, so denken die Deutschen, wenn sie das Wort »Bier« hören, offensichtlich sofort und ausschließlich an alkoholfreies Bier. Denn nur dann wäre es schlüssig, warum Bitburger für alkoholfreies Bier mit folgendem Verkaufsslogan während der Fußballweltmeisterschaft werben kann: »Deutschland feiert mit Bitburger, dem Bier unserer Nationalmannschaft. Bitte ein Bit«. Eine Beschwerde gegen diese Werbung wurde abgelehnt. Begründung: Es würde nur für alkoholfreies Bier geworben. Auf der Website www.bier.de, die von einigen Brauereien und vom Deutschen Brauerbund unterstützt wird, liest sich das ganz anders. Bei der Hervorhebung des Variantenreichtums und der Beschreibung von Biersorten taucht alkoholfreies Bier nicht auf. Wenn also mit dem genannten Slogan geworben wird, müssen auch die freiwilligen Verhaltensregeln des Deutschen Werberats für alkoholhaltige Getränke Anwendung finden. Dann jedoch dürfte Bitburger keine Leistungssportler zu Werbezwecken einspannen. Kommerzielle Werbung für alkoholische Getränke soll nämlich keine Alkohol trinkenden oder zum Trinken auffordernde Leistungssportler zeigen. Oh pardon, die Sportler sieht man in der Werbung ja auch nicht – beim Trinken – sondern nur beim Spielen. Clever gemacht, Sinn der Regelung ausgehoben!
Wiederholt hat die DHS Beschwerde gegen reißerische Namensgebungen und Neugier weckende Verpackungen alkoholischer Getränke eingelegt, die einzig und allein der Verkaufsförderung dieser Erzeugnisse dienen. Der Werberat selbst hat eine Definition formuliert, was unter kommerzieller Kommunikation (so der Fachbegriff für Werbung und Marketing) zu verstehen ist, nämlich: Sie umfasst den Einsatz aller Kommunikationsinstrumente durch die Wirtschaft, wenn damit primär die Förderung des Absatzes von Waren verfolgt wird. Dass dies bei Namen wie Mäusepisse, Arschgeweih, Kleiner Flutscher und Guten Morgen Latte zweifellos der Fall ist, scheint einzig der Deutsche Werberat nicht zu erkennen. Antwort auf die Beschwerden: nicht zuständig für Namen und Verpackung!
Die Klosterbrauerei Neuzelle GmbH wurde vom Deutschen Werberat öffentlich gerügt. Sowohl die Namen ihrer Produkte als auch die Werbetexte werden diesmal beanstandet, da sie versprechen, die physische Leistungsfähigkeit des Konsumenten zu verbessern bzw. die Wirkung als Arzneimittel nahelegen. Gerügt wurden die Produkte »Marathon Bier« und »flüssige Seelsorge«. Die Dreistigkeit des Unternehmens ist kaum zu toppen: Sie nutzt die Rüge PR-wirksam aus. Die beiden beanstandeten Produkte sind weiterhin mit demselben Werbetext auf der Website zu finden, vorgeblich zur Diskussion der verschiedenen Standpunkte, gekrönt mit der Aussage: »Um Missverständnisse zu vermeiden: Wir stimmen mit den Verhaltensregeln des Deutschen Werberates über die kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke überein«.
Die Liste der Unbegreiflichkeiten im Zusammenhang mit den wirkungslosen Versuchen des Werberates, Alkoholwerbung freiwillig und in Selbstverantwortung zu regulieren, könnte noch unendlich weitergeführt werden. Gabriele Bartsch, stellv. Geschäftsführerin der DHS: Hier liegt ein Systemfehler vor! Wenn Alkoholwerbung in Deutschland weiterhin erlaubt sein soll, dann muss es ein Regelwerk geben, das keine Schlupflöcher für »kreative« Werbestrategen offen lässt. Abhilfe im Regulierungschaos schafft einzig eine unabhängige, gesetzlich geregelte und sanktionsgestützte Kontrolle, die für alle Medien, insbesondere auch für das Internet, gilt. Anders können Verbraucher, allen voran die Gewinn verheißende Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen, nicht wirksam geschützt werden. Die Interessen von Herstellern und Werberat sind schlicht und ergreifend nicht vereinbar mit Gesundheits- und Jugendschutz. Wie sollen auch diejenigen, deren Aufgabe die Umsatzsteigerung ist, ihrer Pflicht zur Selbstbeschränkung wirksam nachkommen. Schon 2001 sagte der damalige Präsident des Deutschen Brauerbundes, Dieter Ammer, als Vertreter der Alkoholindustrie öffentlich »Wir werden nichts tun, was unseren Umsatz gefährdet«. Ein wahres Wort.
Für Menschen, die an Abstinenzneurose leiden, bleibt da wohl nach der Lektüre dieses Artikel nur noch der Griff in die Packung mit »Bärendreck«. Garantiert alkoholfrei, doch zu viel kann krank machen – und die Lust auf Sex bremsen.
Wo Irrationales als sinnvoll und Ineffektives als vernünftig angesehen wird, können Fragen allein von der Verstandesebene her nicht beantwortet werden. Eine Klärung muss in tieferen Schichten gesucht werden, in den Bereichen des Unbewussten und der Ängste, und den archaischen Formen mit ihnen umzugehen, dem Ritual. Mit Ritualen, zeremoniellen Handlungen, versuchten die Priester-Ärzte der Frühzeit, die Unversehrtheit die Gemeinschaft und einzelner Individuen zu gewährleisten und Schaden von ihnen abzuwenden.
Pharmakos: Der Sündenbock
In allen Erdteilen und Kulturen wurden solche Rituale durchgeführt und oft war ihr Vollzug mit einer Art von Opfer verbunden, im antiken Griechenland und anderswo mit Menschenopfern. Bei diesem Ritual wurden missachtete oder missgestaltete Menschen mit Laub geschmückt und aus der Stadt getrieben, dort symbolisch mit den Übeln überhäuft, die der Gemeinde widerfahren waren und getötet. Man glaubte, dass der Tod dieser mit allen Übeln und Sünden beladenen Opfer künftige Heimsuchungen vor Krankheiten oder Hungersnöten verhindert und die Sünden der Vergangenheit auslöscht – und feierten das getötete Opfer als Helden. Das griechische Wort für den geopferten Menschen, der zum Heilsbringer wird, ist bezeichnend für unser Thema: es lautet Pharmakos.
Die etymologische Wurzel heutiger Begriffe wie Pharmakologie oder Pharmazie ist also der »Sündenbock« – so wurde der Pharmakos auf Deutsch genannt, nach einem späteren, schon etwas humaneren Zeitalter, als man statt »Sündenmenschen« Ziegen oder Schafe verwendete. Etwa im 6. Jahrhundert vor Christus erfährt dieser alte Begriff des Heilmittels dann einen Wandel und bezeichnet von nun an die neuen, »modernen« Heilmethoden: »Arznei«, »Droge« , »Medikament«. [Quelle: Mathias Bröckers: Die Drogenlüge, Frankfurt am Main 2010, ISBN: 9783938060513, Seite 108]
Konsumenten als Sündenböcke
Alkohol, Tabak und Haschisch sind Substanzen, die in diversen Kulturen seit Alters her als Genussmittel wie auch zu rituellen Zwecken genutzt wurden und werden. Zudem haben die drei genannten Substanzen pharmakologische Eigenschaften. Cannabisprodukte wie Gras oder Haschisch werden heute wieder als Pharmaka (Heilmittel) in der Medizin eingesetzt. Dennoch werden die Konsumenten von Alkohol, Tabak und Cannabisprodukten als Sündenböcke Stigmatisiert und ihnen werden Opfer abverlangt, um die Sünden (verschuldete Fehlleistungen) anderer zu tilgen. Dies wird an der derzeitigen Steuerpolitik deutlich erkennbar. Die Konsumenten dieser Substanzen sollen immer mehr für die Defizite, die andere an anderen Stellen verursachen, aufkommen.
Ab 2002: Rauchen für die Sicherheit
Immer wieder sind die Raucher zur Kasse gebeten worden, um die Steuereinnahmen zu erhöhen zur Finanzierung von Dingen, die mit dem Rauchen rein gar nichts zu tun haben. Vor allem seit 2002 ist die Tabaksteuer regelmäßig erhöht worden – insgesamt fünf Mal. Da wäre zum Beispiel die Tabaksteuererhöhung, die 2002 von Rot-Grün eingeführt wurde, um mit den zusätzlichen Einnahmen den Kampf gegen den Terror zu finanzieren. Hier sei an die Sicherheitspakete von Otto Schily (Schily-Kataloge) erinnert.
Bei der Generalabrechnung mit Kanzler Gerhard Schröder (SPD) im Bundestag im September 2001 zerlegte die Opposition in der Haushaltsdebatte den Etatentwurf der Regierung und die neuen drei Milliarden Mark »Kriegssteuer«. Friedrich Merz, CDU/CSU-Fraktionschef, sagte hierbei »140 Milliarden Zigaretten werden in Deutschland im Jahr geraucht. 140 Milliarden Zigaretten mal zwei Cent – das war das, was der Finanzminister an Steuererhöhungen angekündigt hat. Das sind: 2,8 Milliarden Euro Steuererhöhungen. Mal knapp zwei (Umrechnung in Mark) sind etwa 5,6 Milliarden Mark. Plus 16 Prozent Mehrwertsteuer sind 0,9 Milliarden. Macht summa sumarum – nur, Herr Bundeskanzler! – eine Steuererhöhung von 6,5 Milliarden Mark aus!«
Guido Westerwelle, FDP-Chef, sagte seinerzeit zur Erhöhung der Tabaksteuer für die Sicherheit: »Die Rente, die bezahlen wir angeblich an der Tankstelle – da kommt die Ökosteuer. Die innere Sicherheit sollen wir jetzt durchs Rauchen bezahlen. Rauchen für die Sicherheit, Rasen für die Rente. Das ist keine Finanzpolitik, meine Damen und Herren, das ist Gaga!«
Ab 2011: Rauchen für die Industrie
Gaga geht weiter. Damit die Schwerindustrie auch in Zukunft weniger Ökosteuern zahlen muss, will die derzeitige Regierung aus CDU/CSU und FDP in den nächsten Jahren zur Haushaltsstabilisierung die Tabaksteuer sukzessive erhöhen. Die Tabaksteuer soll im kommenden Jahr zusätzliche 200 Millionen Euro in die Kasse des Bundesfinanzministers spülen – in den Jahren danach jeweils ein paar hundert Millionen mehr bis hin zu einer Milliarde Euro im Jahre 2015 – sie soll also in mehreren Stufen steigen. Angeblich sieht ein Steuerkonzept des Bundesfinanzministeriums vor, dass der Preis für eine Schachtel jährlich zwischen vier und acht Cent steigen soll – unterm Strich damit um maximal 40 Cent. Mit anderen Worten heißt das, dass die Raucher für die Sicherung der Dividende der Aktionäre der Schwerindustrie zahlen müssen, die Konzernen können hingegen durch diese Regelung Steuern und Abgaben sparen.
Saufen für den Luftverkehr
Gaga geht weiter. Die FDP hat die Gaga-Politik verinnerlicht. Das Handelsblatt verkündete am 26. Oktober 2010 unter dem Titel »FDP prüft auch höhere Alkoholsteuer«, dass nach der Erhöhung der Tabaksteuer die FDP nun auch die Alkoholsteuer ins Visier nehme, um die Wirtschaft zu entlasten. »Für ein Genussmittel mit einem Alkoholgehalt von 20 Prozent sollte eine Alkoholsteuer von 20 Prozent des Nettoverkaufspreises anfallen«, heißt es in einem Schreiben des wirtschaftspolitischen Sprechers der FDP-Bundestagsfraktion, Paul Friedhoff, das dem Handelsblatt vorliegt.
Auf Bier mit 4,5 Prozent würden damit 4,5 Prozent Steuern vom Nettopreis anfallen, bei einer Flasche 45-prozentigen Wodkas wären es 45 Prozent. Der Wirtschaftspolitiker will ähnlich wie bei der von der Koalition beschlossenen Tabaksteuer mit den Mehreinnahmen die Wirtschaft entlasten, diesmal zugunsten der Luftverkehrsindustrie. Friedhoff befürchtet »schwerwiegende Verwerfungen in der deutschen Wirtschaft«, sollte die Luftverkehrssteuer in der von der Koalition beschlossenen Form kommen. Mit anderen Worten heißt das, dass die Alkis für die Sicherung der Dividende der Aktionäre der Luftfahrtindustrie und Fluggesellschaften zahlen müssten, die Konzernen könnten hingegen durch diese Regelung die Luftverkehrssteuer sparen.
Kiffen für die Rüstungsindustrie
Attac brachte am 26. Oktober 2010 unter dem Titel »Kiffen für die Rüstungsindustrie« den sarkastisch gemeinten Vorschlag einer weiteren Steuer in die aktuelle Politische Diskussion. Rauchen für Stahlkonzerne, Saufen für Fluggesellschaften – das geht in die richtige Richtung, aber nicht weit genug. Attac fordert daher: Kiffen für die Rüstungsindustrie! Schließlich könnte man mit der selben Logik die zu erwartenden Auftragsrückgänge der Rüstungsindustrie durch die geplante Verkleinerung der Bundeswehr auffangen.
Der sarkastisch gemeinte Vorschlag ist die nahe liegende Reaktion auf den unglaublichen Zynismus, gepaart mit Dilettantismus, mit dem die Bundesregierung ganz offen und ungeschminkt Politik ausschließlich im Interesse der Industrie macht. Die Zukunft wird zeigen, ob die FDP mit der CDU/CSU Gaga genug sind, um diesen neuen Vorschlag auch bald umzusetzen. Nach den bisherigen Merkmalen ihrer Politik wäre dies überhaupt nicht mehr verwunderlich. Der Kiffer wäre dann nicht mehr der Pharmakos (Sündenbock) der Gesellschaft, sondern das Pharmakon (Heilmittel) der Rüstungsindustrie. Der friedliebende Kiffer wäre dann wieder in der vom Aktionärswillen dominierten Gesellschaft voll integriert – zum Wohle der Rüstungsindustrie und derer Aktionäre.
Vergl. hierzu: Gerd Folkers: Pharmakos, der Sündenbock, in: Neue Zürcher Zeitung vom 11. August 2002
Die Zahlen der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) sind alarmierend: Jugendliche haben sich 2009 in vielen Bundesländern häufiger als je zuvor bis zur Bewusstlosigkeit betrunken. Zahlreiche Zeitungen veröffentlichten die Angaben der DAK zum Komasaufen, so u.a. die »Welt« am 28. Dezember 2010 unter dem Titel »Jugendliche trinken sich immer öfter ins Krankenhaus«. In dem Artikel heißt es:
»Immer mehr Jugendliche trinken, bis der Arzt kommt. Einen besonders hohen Anstieg beim sogenannten Komasaufen gab es nach Zahlen der Krankenkasse DAK im Jahr 2009 in Rheinland-Pfalz mit 1664 Fällen (plus 11 Prozent zu 2008) und Niedersachsen mit 2685 Fällen (plus 10,3 Prozent zu 2008). In Berlin kamen 408 Kinder und Jugendliche nach Alkoholmissbrauch in ein Krankenhaus, das war ein Zuwachs von sechs Prozent. [...] In Nordrhein-Westfalen mussten 2009 sieben Prozent mehr Jugendliche volltrunken stationär aufgenommen werden als im Vorjahr – insgesamt 6578. In Bayern (5316 Fälle, plus 3,5 Prozent) und Baden- Württemberg (4028 Fälle, plus 1,7 Prozent) verlief die Entwicklung weniger dramatisch. In allen genannten Ländern bedeuteten die Zuwächse gleichzeitig auch Höchststände.
In Brandenburg waren im vergangenen Jahr 407 Kinder und Jugendliche betroffen, 7,1 Prozent weniger als 2008. In Sachsen ging die Zahl um 15,8 Prozent auf 928 zurück und in Sachsen-Anhalt waren es 704 Fälle (minus 12,2 Prozent). Die Bedeutung der Zahlen in diesem Ländern sei wegen des Geburtenrückgangs und der Abwanderung schwer zu beurteilen, sagte DAK-Pressesprecher Rüdiger Scharf.«
Die DAK bezieht sich auf Zahlen der Statistischen Landesämter für die Gruppe der Zehn- bis 20-Jährigen; es liegen noch nicht für alle Bundesländer Daten vor.
Bayerische Jugendliche beim Komasaufen vorn
Setzt man die absolute Zahlen der Einlieferungen in Krankenhäuser wegen Komasaufen in Relation zur Bevölkerung unter 20 Jahren in den einzelnen Bundesländern, dann zeigt sich, dass in Bayern 2009 dreimal mehr Jugendliche volltrunken stationär aufgenommen wurden als in Berlin. Pro 100.000 Einwohner unter 20 Jahren wurden in den genannten Bundesländern durchschnittlich knapp 180 Jugendliche und junge Erwachsene unter 20 Jahren wegen übermäßigen Alkoholkonsums stationär in Krankenhäuser aufgenommen. Die Zahlen für die einzelnen Bundesländer zeigen die regionalen Unterschiede in Sachen Umgang mit Alkohol bei der jüngeren Bevölkerung sehr deutlich:
Manche Dinge weiß man, ohne eine Ahnung davon zu haben. Zum Beispiel, wie man sich vor freien Radikalen schützen kann. Doch nur wenige wissen, was denn freie Radikale genau sind.
Man weiß, dass es für Bier ein deutsches Reinheitsgebot gibt. Vielleicht weiß man auch, dass dieses Gebot ursprünglich ein bayerisches war und dass es als das älteste Lebensmittelgesetz der Welt gilt.
Aber warum genau wurde dieses Gebot eigentlich erlassen? Was hat die Obrigkeit im Mittelalter dazu getrieben, auf Reinheit zu pochen? Was war alles in dem Bier, was nicht drin sein sollte? Der Deutsche Brauer-Bund e.V. weiß darauf eine Antwort:
“Mit dieser Vorschrift wurde Verfälschungen vorgebeugt, vor allem aber chemische oder andere Zusätze ausgeschlossen.”
Chemische Zusätze? Zum Beispiel Antioxidantien (helfen die nicht gegen freie Radikale?) zur Konservierung? Carrageen zur Schaumstabilisierung? Künstliche Farbstoffe? Im Jahre 1516? Als man noch nicht um die Bedeutung der Hefe beim Brauen wusste? Wohl kaum.
Es geht wohl mehr um die anderen Zusätze; es wurden unterschiedliche Gewürze wie Kümmel, Koriander, Lorbeer oder Wacholder zur Aromatisierung verwendet, doch es wurden auch psychoaktive Pflanzen zugefügt. Belegt sind der Gebrauch von Schlafmohn, Tollkirsche, Muskatnuß, Wermut und Bilsenkraut.
Das Pilsner aus Pilsen soll laut Christian Rätsch und Martin Hürlimann seinen Namen dem Bilsenkraut verdanken.
Das älteste Lebensmittelgesetz der Welt, ist also eigentlich das erste Betäubungsmittelgesetz, der Grundstein zu allen späteren Prohibitionen. Die Dämonisierung aller anderen Drogen außer Alkohol hat eine lange Tradition, das zeigt uns das Reinheitsgebot.
Diageo ist ein großer Konzern, dem so bekannte Marken wie Johnny Walker, Baileys, Smirnoff, José Curvo und Guinness gehören. Wenn man die deutschsprachige Internetpräsenz besuchen möchte, heißt es: “Wir legen Wert auf einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol und bitten Sie daher, zu bestätigen, dass Sie bereits 18 Jahre alt sind.” Einmal scrollen und einmal klicken später ist man auf der Seite. Und dort kann man erfahren, daß Diageo den bereits bestehenden Werbevertag mit Facebook ausgebaut hat. Dieses millionschwere “strategische Partnerschaft” hat laut Angaben des Getränkekonzerns in den USA bereits zu einem Wachstum von 20% geführt. 950 Mitarbeiter bekamen eine Schulung in Trainingslagern des sogenannten sozialen Netzwerks.
Caroly Everson, Facebooks Vize-Präsidentin, sagt: “Diageo ist der ideale Partner, weil wir die Welt durch die gleiche Linse sehen. [...] Die enge Zusammenarbeit hat erstaunliche Ergebnisse produziert.” Welche Linse und welche Ergebnisse – darüber könnte man vielleicht Witze machen.
Ein Problem damit, dass Jugendliche diese Facebook-Seiten besuchen, sieht man nicht, da diese über eine ähnliche Sicherung verfügen wie die Diageo-Seite, die die Volljährigkeit der Besucher gewährleistet.
Derweil sind, falls es jemand noch nicht mitbekommen haben sollte, die besten Plakate gegen das Komasaufen auf Deutschlandtour. Und die Drogenbeauftragte Mechthild Dyckmans freut sich neue Worte erfindend: “Der Plakatwettbewerb hat große Resonanz bei den Jugendlichen gefunden und viele Jugendliche auf kreative Weise dazu gebracht, sich kritisch mit dem Thema Rauschtrinken auseinanderzusetzen. Ich wünsche mir, dass die Wanderausstellung in den Schulen zum Anlass genommen wird, im Unterricht über den verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol und die Gefahren des Rauschtrinkens zu diskutieren.”
Weil die meisten ja nicht wegen des Rausches trinken, sondern aus sozialen Gründen (deswegen auch die Werbung über soziale Netzwerke?), wegen des Geschmacks und weil unsere Gesellschaft ohne dieses Schmiermittel auseinanderbrechen würde. Oder Millionendeals gar nicht erst zu Stande kämen.
Oft hört man – nicht nur an Stammtischen – dass früher alles besser gewesen sei und alles immer schlimmer werde. Dies mag vielleicht für bestimmte Bereiche des Lebens seine Richtigkeit haben, für die Sicherheit im Straßenverkehr gilt dies auf jeden Fall nicht.
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Verkehrstote in Deutschland
Wie das Statistische Bundesamt Deutschland (Destatis) am 24. Februar 2012 in einer Pressemitteilung bekannt gab, stieg die Zahl der Verkehrstoten im letzten Jahr um 9,4%. 3.991 Menschen starben im Jahr 2011 auf deutschen Straßen. Das waren 343 Getötete oder 9,4 % mehr als im Jahr 2010. Ein wesentlicher Grund für die negative Entwicklung bei den Verunglückten im Jahr 2011 gegenüber dem Vorjahr sind die Witterungsbedingungen: Relativ milde Wintermonate, ein sehr warmer, trockener Frühling und ein vergleichsweise schöner Herbst haben zu mehr Getöteten und Verletzten geführt. Bei günstigen Witterungsbedingungen wird mehr und häufig schneller gefahren.
Im Jahr 2010 wurden auf Deutschlands Straßen 3.648 Personen getötet. Das waren 504 Getötete oder 12% weniger als ein Jahr zuvor. Damit hatte sich der positive Trend der letzten Jahre in 2010 sogar noch verstärkt fortgesetzt: die Zahl der Getöteten erreichte 2010 den niedrigsten Stand seit 60 Jahren.
Gemäß Destatis lässt sich für 1953 das erste deutschlandweite Ergebnis (nach dem heutigen Gebietsstand) errechnen: 12.631 Verkehrstote bei einem Bestand von fast 4,8 Millionen motorisierten Fahrzeugen, das bedeutete beinahe 27 Tote je 10.000 Fahrzeuge. Beide Zahlen stiegen in den Folgejahren. Der Höchststand wurde 1970 mit 21.332 Verkehrstoten gezählt, der Kraftfahrzeugbestand hatte inzwischen auf 20,8 Millionen zugenommen. Je 10.000 Fahrzeuge wurden somit zehn Getötete registriert. Seitdem ist – mit wenigen Ausnahmejahren – die Zahl der Verkehrstoten kontinuierlich gesunken, trotz weiter steigendem Fahrzeugbestand (2010: 52,3 Millionen Fahrzeuge). Bezogen auf den Kraftfahrzeugbestand gab es im Jahr 2010 weniger als einen Getöteten je 10.000 Fahrzeuge.
Verkehrstote in Deutschland im Rückblick (in Klammern: pro 100.000 Einwohner)
Zur Senkung der Zahl der Todesopfer im Straßenverkehr haben u.a. folgende Maßnahmen beigetragen: Einführung der Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h auf Landstraßen (1972); Einführung der 0,8 Promille-Höchstgrenze für den Blutalkoholkonzentrationswert (1973); Einführung des Verwarnungsgeldes bei Verstoß gegen die Gurtanlegepflicht (1984) und die Einführung der 0,5 Promille-Höchstgrenze für den Blutalkoholkonzentrationswert (1998).
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Durch Alkohol bedingte Verkehrstote in Deutschland
Im Jahr 2010 starben 346 Personen nach durch Alkoholkonsum bedingten Verkehrsunfällen auf deutschen Straßen. Das waren 9,5% aller Verkehrstoten. Im Jahr 2000 wurden noch 1.022 Personen (13,6% aller Verkehrstoten) Opfer des Straßenverkehrs aus diesem Grund.
In den letzten Jahren wurden jeweils im Juni und im Dezember europaweite TISPOL Alkohol- und Drogenkontrollen durchgeführt. Im Jahr 2010 wurden hierbei in Deutschland weit über 100.000 Fahrzeuge angehalten und die Fahrzeuglenker überprüft. Dabei wurde offenbar, dass in Deutschland 1,2% der Fahrer einen zu hohen Alkoholgehalt im Blut hatten. Aufgrund der Tatsache, dass im gleichen Jahr 9,5% aller Verkehrstoten durch übermäßigen Alkoholkonsum vor der Fahrt maßgeblich mitverursacht wurden, kann man leicht errechnen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein angetrunkener Fahrer einen Unfall mit tödlichem Ausgang verursacht, etwa 8 mal größer ist, als dies bei einem nüchternen Fahrer der Fall ist.
Tispol (European Traffic Police Network) ist die Vereinigung der europäischen Verkehrspolizeien, vergleichbar mit Interpol im Kriminalbereich.
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Durch Drogen bedingte Verkehrstote in Deutschland
In den Statistiken wird bei Drogen nicht angegeben, um welche Substanzen es sich handelt und es wird auch nicht angegeben, in wie vielen Fällen bei den Fahrern sowohl Alkohol als auch andere Drogen festgestellt wurden. Deshalb haben die folgenden Angaben nur eine stark eingeschränkte Gültigkeit.
Bei den TISPOL Alkohol- und Drogenkontrollen wurden im Jahr 2010 in Deutschland bei 0,6% der Fahrer im Juni respektive bei 0,7% der Fahrer im Dezember der Konsum von anderen Drogen als Alkohol nachgewiesen. 43 Tote durch Drogeneinfluss bedingte Unfälle waren im Jahr 2010 zu beklagen. Das sind 1,2% aller verkehrstoten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein unter Drogeneinfluss stehender Fahrer einen Unfall mit tödlichem Ausgang verursacht, ist somit etwa doppelt so groß, wie dies bei einem nüchternen Fahrer der Fall ist.
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Die Situation in der Schweiz
Wie man der Pressemitteilung der Kantonspolizei Uri vom 27. Januar 2012 entnehmen kann, ist die gesamtschweizerische TISPOL-Koordinationsstelle bezüglich der operativen Massnahmen beim Polizeikommando Uri (amtliche Bezeichnung) angesiedelt. Gemäß dieser Pressemitteilung wurden im Dezember 2011 allein in der Schweiz und Liechtenstein gesamthaft 7.666 Verkehrsteilnehmende kontrolliert. Dabei wurden 430 Personen festgestellt, deren Fahrfähigkeit durch Alkohol eingeschränkt war. In 65 Fällen standen die Kontrollierten unter Drogeneinfluss. Demnach standen 5,61% der kontrollierten Personen unter Alkoholeinfluss und 0,85% unter Drogeneinfluss. Im Dezember 2010 wurde bei einer gleich gearteten Kontrolle festgestellt, dass 5,48% der Fahrer unter Alkoholeinfluss standen und 0,98% unter Drogeneinfluss. In der Pressemitteilung des Polizeikommandos Uri steht zwar, dass bei den Kontrollierten unter Drogeneinfluss ein Rückgang von 7,59 % auf 6,70 % zu verzeichnen war, doch die Berechnung aus den absoluten Zahlen ergibt ein anderes Resultat, wie weiter oben in diesem Absatz aufgeführt. Dies ist jedoch nicht die einzige falsche Angabe, die man in dieser Pressemitteilung finden kann.
Offensichtlich ist jedoch – das kann man auch anderen Angaben von TISPOL entnehmen – sind in der Schweiz weit mehr Fahrer unter Alkoholeinfluss unterwegs als in Deutschland. Im Jahr 2010 starben 63 Personen nach durch Alkoholkonsum bedingten Verkehrsunfällen auf schweizer Straßen. Das waren 19,3% aller Verkehrstoten. Im Jahr 2000 wurden noch 266 Personen (19,3% aller Verkehrstoten) Opfer des Straßenverkehrs aus diesem Grund. Insgesamt gab es jedoch innerhalb der letzten Jahre in der Schweiz in Relation zur Bevölkerung weniger Verkehrstote als in Deutschland. Die Rückläufigkeit der Opferzahlen entwickelte sich ähnlich wie in Deutschland, obwohl die Einwohnerzahl in der Schweiz viel stärker angewachsen ist als in Deutschland.
Verkehrstote in der Schweiz im Rückblick (in Klammern: pro 100.000 Einwohner)
Wahlen in den USA: Am 6. November 2012 wird in den USA der Präsident gewählt. In den Bundesstaaten Colorado, Washington und Oregon haben die Wähler darüber hinaus die Möglichkeit, Marihuana in ihrem Bundesstaat zu legalisieren. Dies ist unzweifelhaft ein weiterer Meilenstein in diesem Jahr, der schon lange schwelt und die Drogenpolitikreform weiterbringen wird. Die USA sind eine treibende Kraft hinter dem “Krieg gegen die Drogen” und den internationalen Drogenabkommen. Eine Veränderung innerhalb der USA bringt auch eine Veränderung der Außenpolitik, und somit können diese Abstimmungen die globale Debatte um die Drogenpolitik anheizen und die bisherige US-Strategie schwächen.
Zunehmende Akzeptanz der Cannabislegalisierung in den USA: In einer Umfrage des Gallup-Instituts sprachen sich vor sechs Jahren (2006) nur 36% der US-Amerikaner für die Freigabe von Cannabis aus, 60% waren dagegen und 4% wollten sich nicht festlegen. 2011 waren gemäß Gallup 46% für eine Freigabe und im Oktober 2012 erstmals 50%. Nur noch 46% meinten, Cannabis solle illegal bleiben.
Eine weitere Umfrage, die jüngst von der Huffington Post und YouGov durchgeführt wurde, zeigte, dass eine deutliche Mehrheit von 59% der US-Amerikaner für eine Legalisierung von Cannabis sind. Nur 26% waren gegen eine Legalisierung. Im Einzelnen sah das Ergebnis wie folgt aus:
1. Marijuana sollte legalisiert, versteuert und reguliert werden wie Alkohol – 51%
2. Marijuana sollte legalisiert, jedoch nicht versteuert und reguliert werden wie AlKohol – 8%
3. Marijuana sollte nicht legalisiert werden – 26%
4. Bin mir nicht sicher, weiß nicht – 15%
Konservative Republikaner erkennen den Trend: Konservative Republikaner erkennen, dass man gegen die Kiffer keine Wahlen mehr gewinnen kann und unterstützen deshalb den geplanten Verfassungszusatz Amendment 64 in Colorado. Dieser Verfassungszusatz (in Artikel 18 der Landesverfassung) soll es gemäß Absatz 3 erlauben, dass Personen über 21 Jahren Cannabis erwerben, besitzen und konsumieren. Gemäß Absatz 4 soll auch der kommerzielle Anbau, die Verarbeitung und der Vertrieb reguliert und somit legalisiert werden. So unterstützt der als Fundamentalist und Kreationist bekannte republikanische Politiker Tom Tancredo (ausführliche engl. Biografie) die Legalisierungsinitiative in Colorado. Er erklärte wörtlich in der Colorado Springs Gazette am 21. September 2012:
“Ich befürworte den Änderungsantrag 64 nicht trotz meiner konservativen Überzeugungen, sondern weil ich von ihnen überzeugt bin. Im Laufe meiner Karriere in der Politik und in öffentlichen Ämtern habe ich immer dafür gekämpft, verschwenderische und ineffektive staatliche Programme zu reformieren oder zu beseitigen . Es gibt kein Regierungsprogramm und keine Politik, die in einer so einzigartigen Art und Weise gescheitert ist, wie die Marihuana-Prohibition.
Indem Marihuana in den letzten 75 Jahren illegal war, haben wir einen Schwarzmarkt geschaffen, der einige der gefährlichsten Terrororganisationen der Welt Hilfe und Unterstützung bietet. Durch den Änderungsantrag 64 würde das Geschäft mit Marihuana aus den Händen der Drogenkartelle genommen und durch Regulierung und Besteuerung von Marihuana in einer ähnlichen Weise wie Alkohol ersetzt werden.“
Nirgendwo in Deutschland werden mehr Kinder und Jugendliche nach Alkoholexzessen ins Krankenhaus eingeliefert als in bayerischen Städten. Das geht aus einem Bericht in der aktuellen Ausgabe des Spiegel (Nr. 17/2013, S. 16) hervor. 75% der 16 Städte, in denen mehr als 60 Kinder und Jugendliche je 10.000 Personen aus der betroffenen Altersgruppe im Jahr 2011 wegen akuter Alkoholvergiftung in ein Krankenhaus eingeliefert werden mussten, liegen im Freistaat Bayern (BY). Rang zwei belegt in dieser Statistik Rheinland-Pfalz (RP) und Rang drei Baden-Würtemberg (BW). In der folgenden Liste sind die Städte respektive Landkreise aufgelistet, in denen am häufigsten Kinder und Jugendliche nach Alkoholexzessen ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten.
(BY) Memmingen: 99
(RP) Pirmasens: 89
(BY) Schweinfurth:83
(BY) Fürth: 82
(BY) Kempten: 79
(BY) Regensburg: 77
(BY) Nürnberg: 76
(BY) Straubing: 76
(BY) Ansbach: 69
(BY) Landshut: 65
(BW) Badn-Baden: 65
(BY) Kaufbeuren: 64
(RP) Worms: 64
(BY) Amberg: 63
(BY) Erlangen: 62
(RP) Kreis Birkenfeld: 62
Zum Vergleich:
Berlin: 14
Hamburg: 13
Die Wahrscheinlichkeit, dass in Memmingen Kinder oder Jugendliche nach Alkoholexzessen ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen, ist um den Faktor sieben gößer als in Berlin oder Hamburg. In Nürnberg und Fürth beispielsweise liegt der Faktor immer noch weit über fünf im Vergleich zu den norddeutschen Millionenstädte. Eine vernünftige Präventionspolitik ist offenbar in Bayern Fehlanzeige.
Auch die Statistik zu den sogenannten „Drogentoten“ zeigt deutlich, dass Bayern eine ungesunde Drogenpolitik umsetzt. Das Deutsche Ärzteblatt vermeldete am 27. Dezember 2012, dass die Zahl der Drogentoten in Deutschland in diesem Jahr den niedrigsten Stand seit mehr als 20 Jahren erreichen könnte. Aus fast allen Ländern, in denen schon Zahlen vorlagen, wurde bei einer dapd-Umfrage ein deutlich rückläufiger Trend gemeldet. Dies gilt jedoch nicht für den Freistaat Bayern, dort sind die Todesfälle gemäß Kriminalstatistik wieder deutlich gestiegen von 177 im Jahr 2011 auf 213 im Jahr 2012, was einer Zunahme von 20,3 % entspricht. Vergleiche hierzu auch „Die Tragödie von Nürnberg“ – in Nürnberg sind im Jahr 2010 insgesamt 29 sogenannte „Drogentote“ registriert worden, das entspricht einer Opferzahl von 5,8 pro 100.000 Einwohner – mehr als in jeder anderen Großstadt in Deutschland.
In Sachen Überwachung und Datensammeln liegt Bayern ganz vorne. In der Sendung „Funkstreifzug“ im Programm von B5 aktuell hatte der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri geschätzt, dass es in der Kriminalaktennachweis-Datei (KAN) Einträge von etwa einer Million Bürgern aus Bayern gibt. Eine parlamentarische Anfrage der Grünen im Landtag ergab jedoch, dass weit mehr Bürger gespeichert sind, nämlich exakt 1.733.745. Ein gutes Drittel aller knapp fünf Millionen Kriminalakten in Deutschland betrifft damit bayerische Bürger. Die Wahrscheinlichkeit in Bayern, in dieser Datei erfasst zuwerden, ist somit weit mehr als doppelt so groß, als im Bundesdurchschnitt. Präventiv wirkt sich diese Datensammelwut nicht aus, eher im Gegenteil – Kinder und Jugendliche versuchen in Bayern offenbar mehr als an anderen Orten sich durch übermässigen Suff sich für ein paar Stunden der Realität von Kontrolle und Überwachung zu entsziehen.
Gemäß Pressemitteilung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, vom 25. April 2013, die unter dem Titel „Zahl der Drogentoten 2012 auf dem niedrigsten Stand seit 1988“ erschien, ist die Zahl der Drogentoten im Jahr 2012 um weitere 4 Prozent auf 944 (Vorjahr: 986) gesunken. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung erklärte dazu: „Es ist erfreulich, dass immer weniger Menschen an den Folgen ihres Drogenkonsums sterben. Das zeigt, dass unsere Beratungs- und Hilfsangebote sowie die zur Verfügung stehenden Angebote wirken.“
Aufgrund dieser Tatsache versahen die meisten Zeitungen Artikel zum Thema mit Überschriften wie „Weniger Drogentote in Deutschland“ oder „Zahl der Drogentoten weiter gesunken“ oder auch „Zahl der Drogentoten auf tiefsten Stand seit 24 Jahren“. Im Gegensatz dazu titelte die Neue Nordhäuser Zeitung am 11. Dezember 2013 „Wieder mehr Drogentote“ und im Artikel hieß es:
„Todesfälle infolge Drogenkonsums wurden im Jahr 2012 in 1.739 Fällen diagnostiziert. Gegenüber dem Jahr 2011 waren das 29 Sterbefälle bzw. 1,7 Prozent mehr. Der Anteil der legalen Droge Tabak an den drogenbedingten Sterbefällen insgesamt lag im Jahr 2012 bei 70,8 Prozent. Die Zahl der Sterbefälle stieg um 65 bzw. 5,6 Prozent auf 1.231 verstorbene Thüringer.
An zweiter Stelle der drogenbedingten Sterbefälle lag die legale Droge Alkohol. Im Jahr 2012 betrug ihr Anteil 28,8 Prozent. Mit 500 Sterbefällen im Jahr 2012 war gegenüber dem Jahr zuvor ein Rückgang um 29 Fälle bzw. 5,5 Prozent zu verzeichnen.
Sterbefälle infolge Konsums illegaler Drogen wurden im Jahr 2012 in acht Fällen diagnostiziert. Die Hälfte von ihnen war im Alter von 20 bis unter 40 Jahren.“
Dieser Artikel war Anlass für weitere Recherchen, um die Relationen und Entwicklungen bei Todesfällen im Zusammenhang mit dem Drogenkonsum herauszuarbeiten. Dabei traten ein paar überraschende Ergebnisse zu Tage.
Die Situation in Thüringen
Die Zahl der stationären Krankenhausbehandlungen die aufgrund des Konsums von Drogen notwendig wurden, stieg in den letzten zehn Jahren kontinuierlich an, wie die folgende Abbildung zeigt.
Abbbildung 1 zeigt die Zahlen der stationären Krankenhausbehandlungen gemäß der amtlichen Landesstatistik „Aus Krankenhäusern entlassene vollstationäre Patienten nach Geschlecht und Diagnosen“ in Thüringen für den Zeitraum 2003 bis 2012. Insgesamt mussten in den letzten zehn Jahren die meisten Bahndlungen wegen des übermäßigen Konsums von Alkohol durchgeführt werden, 111.717 an der Zahl respektive 55,7% aller Behandlungen, die wegen Drogenkonsum durchgeführt werden mussten. Die Zahl dieser Behandlungen nahm von 2003 bis 2012 um 30,8% zu.
Wegen des Konsums von Tabak mussten im gleichen Zeitraum 69.467 Behandlungen durchgeführt werden. Das waren 34,6% aller Behandlungen wegen Drogen. Die zahl dieser Behandlungen nahm in diesem Zeitraum um 20,4% zu. Wegen des Konsums illegalisierter Drogen mussten 19.363 Behandlungen durchgeführt werden. Das waren 9,7% aller Behandlungen wegen Drogen. Die Zunahme lag in diesem Zeitraum bei 36,0%.
Insgesamt wurden in thüringer Krankenhäuser in den letzten zehn Jahren 5.556.770 Behandlungen durchgeführt, 2,01% betrafen Patienten mit Poblemen wegen Alkohol, 1,25% betrafen Tabak und 0,35% illegalisierte Drogen.
Die Zahl der „Drogentoten“ stieg in Thüringen von 1.693 im Jahr 2003 auf 1.739 im Jahr 2012. Dies entsprich einer Zunahme um 2,7% in zehn Jahren. Dabei zeigt sich, dass die Entwicklung bei den verschiedenen Substanzen sehr unterschiedlich verlief, wie auf der Abbildung 2 zu sehen ist.
Abbildung 2 zeigt die Zahlen von „Drogentoten“ in Thüringen gemäß der amtlichen Landesstatistik „Sterbefälle Thüringer Bürger infolge von Drogenkonsum nach Altersgruppen, Art der Droge und Geschlecht“ für die Jahre 2003 bis 2012. Etwa 2/3 der „Drogentoten“ entfallen auf die Droge Tabak, wobei die Tendenz steigend ist. Die Zahl der „Tabaktoten“ stieg in den letzten zehn Jahren um 16,1%. Knapp 1/3 der „Drogentoten“ entfallen auf die Droge Alkohol, wobei die Tendenz fallend ist. Die Zahl der „Alkoholtoten“ sank in den letzten zehn Jahren um 20,1%. Die Zahl der Opfer aufgrund des Konsums illegalisierter Substanzen schwankte gemäß der amtlichen Landesstatistik zwischen 7 und 20 pro Jahr. Insgesamt starben in den letzten zehn Jahren in Thüringen 115 Personen im Zusammenhang mit dem Konsum illegalisierter Drogen. Das waren 0,04% aller Todesfälle in diesem Zeitraum in Thüringen respektive 0,7% aller „Drogentoten“. Für Tabak lauten die Zahlen 4,35% respektive 67,1% und für Alkohol 2,09% respektive 32,2%.
Alkoholtote in Deutschland
In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts kursierte die Zahl von jährlich 40.000 alkoholbedingten Todesfällen. So stand es beispielsweise im „Jahrbuch Sucht 96“ der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (S. 31) oder auch im „Drogen- und Suchtbericht 1999“ des Bundesministeriums für Gesundheit (S. 21). Nach der Jahrtausendwende stand in diversen Publikationen die Zahl 42.000, so beispielsweise im „Jahrbuch Sucht 2001“ (S. 202 ff.). Im „Drogen- und Suchtbericht“ der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vom Mai 2013 wird eine weit größere Zahl angegeben. Dort heißt es auf Seite 17 wörtlich: „An den direkten und indirekten Folgen ihres übermäßigen Alkoholkonsums versterben pro Jahr 74.000 Menschen.“
Diese Zahlen vermitteln den Eindruck, dass die Zahl der alkoholbedingten Todesfälle seit der Jahrtausendwende bis zum Jahr 2012 um 85% zugenommen hätten. Dies ist jedoch nicht der Fall, ja das Gegenteil ist der Fall. So teilte das Statistische Bundesamt mit, dass im Jahr 2005 in Deutschland 16.302 Personen (12.233 Männer und 4.096 Frauen) im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol starben. Das waren rund 2% aller Sterbefälle. Im Jahr 2005 starben damit mehr Menschen im Zusammenhang mit Alkohol als durch Suizide (10.260) und tödliche Verkehrsunfälle (5.458) zusammen. Im Jahr 2000 starben gemäß Statistischem Bundesamt mehr Menschen im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol: 16.610 Personen. In der Zeit von 2000 bis 2005 ist somit die Zahl der alkoholbedingten Todesfälle leicht gesunken. Für diese Zahlen gilt: Die Todesfälle, bei denen Alkoholkonsum mit zum Tode beigetragen hat, jedoch nicht als Hauptursache (Grundleiden) erkannt wurde, sind in den Zahlen über Alkohol als Todesursache nicht berücksichtigt.
Die häufigste alkoholbedingte Todesursache war die alkoholische Leberzirrhose mit 9.250 Gestorbenen im Jahr 2005 respektive 9.550 im Jahr 2000. In diesem Zeitraum hat diese Todesursache somit um 3,1% abgenommen.
Alkoholbedingte Verkehrstote in Deutschland
Die Zahl der Todesopfer im Straßenverkehr ist in Deutschland in den letzten 20 Jahren deutlich kleiner geworden. Wurden 1992 noch 10.631 Verkehrstote registriert, davon 2.102 (19,8%) aufgrund von Alkoholeinfluss beim Fahrer, so waren es 2012 nur noch 3.600, davon 338 (9,4%) aufgrund von Alkoholeinfluss beim Fahrer. Eine Übersicht der Fallzahlen ist in der folgenden Abbildung dargestellt.
Abbildung 3 zeigt die jährlichen Zahlen der Verkehrstoten in Deutschland, Zeitreihe 1992 bis 2012 für die Verkehrstoten insgesamt und der Verkehrstoten, die durch Alkoholkonsum bedingt waren. Insgesamt sank die Zahl der Verkehrstoten in diesem Zeitraum um 66,1%, die der durch Alkoholkonsum bedingten sogar um 84,0%. Die Zahl der durch Alkoholkonsum bedingten Todesfälle sank deutlich stärker als die Gesamtzahl der Todesfälle.
Im Dezember 2012 wurde eine europaweite TISPOL Alkohol- und Drogenkontrolle im Straßenverkehr durchgeführt. Dabei wurde in 29 Ländern 1,2 Millionen Fahrzeuglenker kontrolliert. Dabei wurden 13.236 alkoholisierte Fahrer (1,1%) und 1.830 Fahrer unter Einfluss anderer Drogen (0,15%) überführt. Im Jahr 2010 wurden bei TISPOL-Kontrollen in Deutschland weit über 100.000 Fahrzeuge angehalten und die Fahrzeuglenker überprüft. Dabei wurde offenbar, dass in Deutschland 1,2% der Fahrer einen zu hohen Alkoholgehalt im Blut hatten. Aufgrund der Tatsache, dass im gleichen Jahr 9,5% aller Verkehrstoten durch übermäßigen Alkoholkonsum vor der Fahrt maßgeblich mitverursacht wurden, kann man leicht errechnen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein angetrunkener Fahrer einen Unfall mit tödlichem Ausgang verursacht, etwa 8 mal größer ist, als dies bei einem nüchternen Fahrer der Fall ist.
Tispol (European Traffic Police Network) ist die Vereinigung der europäischen Verkehrspolizeien, vergleichbar mit Interpol im Kriminalbereich. Mehr dazu im Artikel „Verkehrstote, Alkohol und Drogen“ in diesem Blog.
Tabaktote in Deutschland
Im „Jahrbuch Sucht 96“ der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (S. 78) wird die Zahl der tabakbedingten Todesfälle in Deutschland mit 111.000 angegeben. Auch das Institut für Therapieforschung (IFT) in München veröffentlichte diese zahl über viele Jahre hinweg. Im „Drogen- und Suchtbericht“ der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vom Mai 2013 wird eine etwas kleinere Zahl angegeben. Dort heißt es auf Seite 24 wörtlich:
„Tabakkonsum verkürzt das Leben um durchschnittlich etwa zehn Jahre. Mit etwa 110.000 Todesfällen pro Jahr stellt das Rauchen damit das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland dar. Mehr als die Hälfte aller regelmäßigen Raucher stirbt vorzeitig an Lungenkrebs, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung oder einer anderen Atemwegserkrankung.“
Diese Zahlen suggerieren, dass die durch Tabakkonsum bedingte Sterblichkeit in den letzten 20 Jahren nicht zugenommen, sondern leicht abgenommen habe. Da jedoch die häufigsten durch Rauchen hervorgerufenen Krebsarten (Kehlkopf-, Bronchen- und Lungenkrebs) und den damit verbundenen Todesfällen in den letzten 20 Jahren massiv zugenomen haben, scheint es sehr unwahrscheinlich, dass die Angaben im „Drogen- und Suchtbericht“ der Drogenbeauftragten der Bundesregierung ihre Richtigkeit haben. 1992 wurden 36.943 Todesfälle aufgrund dieser Krebsarten registriert, 2012 waren es 45.908. Dies entspricht einer Zunahme um 24,3% innerhalb von 20 Jahren. Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung in den letzten zehn Jahren.
Abbildung 4 zeigt die Todesfälle aufgrund von Kehlkopf-, Bronchen- und Lungenkrebs in Deutschland für den Zeitraum 2003 bis 2012. In diesem Zeitraum stieg die Zahl dieser Todesfälle um 12,3%. Zum Vergleich: In Thüringen stieg die Zahl der durch Tabakkonsum bedingten Todesfälle gemäß der amtlichen Landesstatistik um 16,1%. Auch wenn diese Zahlen nicht vollkommen korrelieren, so zeigen sie deutlich einen Trend des Ansteigens der Fallzahlen.
Die Moral von der Geschicht’, traue der Drogenbeauftragten nicht!
Die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) ist die zivile US-Bundesbehörde für Straßen- und Fahrzeugsicherheit. Die Behörde ist im Geschäftsbereich des Verkehrsministeriums der Vereinigten Staaten angesiedelt und veröffentlicht die amtlichen Zahlen von Verkehrsunfällen und ihren Ursachen für alle Bundesstaaten in den USA.
Kalifornien ist mit 38 Millionen Einwohner der bevölkerungsreichste Bundesstaat der USA und hat 1996 als erster Bundesstaat die Abgabe von Cannabis als Medizin legalisiert. Gemäß den NHTSA-Daten für Kalifornien wurden im Jahr 2012 in Kalifornien 7,51 Verkehrstote pro 100.000 Einwohner registriert. Das waren 30% weniger als im US-Bundesdurchschnitt mit 10,69 Verkehrstoten pro 100.000 Einwohner. Die Zahl der Verkehrstoten bedingt durch Alkoholkonsum (Blutalkoholgehalt größer als 0,8 Promille) lag sogar um 36% niedriger als im Bundesdurchschnitt.
Noch bessere Daten wurden aus dem Bundesstaat Washington – ebenfalls an der Westküste der USA gelegen – mitgeteilt. Dieser Staat hat 1998 Regelungen für Cannabis als Medizin eingeführt und dort gab es 6,44 Verkehrstote pro 100.000 Einwohner. Das waren 40% weniger als im US-Bundesdurchschnitt.
Bis zum Jahr 2000 haben acht Bundesstaaten Regelungen für Cannabis als Medizin eingeführt. In allen diesen Bundesstaaten (außer Maine) lag im Jahr 2010 die Zahl der Verkehrstoten niedriger als im Bundesdurchschnitt, wie aus der folgenden Grafik ersichtlich ist.
Abbildung 1 zeigt die Zahl der Verkehrstoten im Jahr 2010 pro 100.000 Einwohner für die US-Bundesstaaten, die vor der Jahrtausendwende Regelungen für Cannabis als Medizin eingeführt haben. Im Schnitt lag in diesen Staaten die Zahl der Verkehrstoten um knapp 20% unter dem Bundesdurchschnitt.
Die meisten Verkehrsrodys (in Relation zur Bevölkerung) wohnen gemäß „Compare Traffic Deaths by State“ übrigens in Wyoming (mit 27,48 Verkehrstoten pro 100.000 Einwohner), gefolgt von Mississippi (21,58), Arkansas (19,27), Montana (19,09), Alabama (18,11), Oklahoma (17,76), Kentucky (17,49), South Carolina (17,47) und South Dakota (17,16). In keinem dieser Staaten, außer Montana, ist Cannabis als Medizin legal. Und in Montana versuchte die Regierung immer wieder die Verfügbarkeit von Cannabis für Patienten einzuschränken.
In Montana stimmte eine Mehrheit von 61,8% für die Montana Medical Marijuana Allowance Measure, auch Medical Marijuana Act, I-148 genannt. Das Gesetz trat am 2. November 2004 (also sofort) in Kraft. Patienten durften bis zu sechs Cannabispflanzen und eine Unze (ca. 28 Gramm) Marihuana besitzen. Mit dem Gesetz vom 3. Mai 2011 SB 423 wurde mit Wirkung ab dem 1. Juli 2011 die Medical Marijuana Act stark eingeschränkt. Gegen diese Einschränkung wurde das Referendum ergriffen, das mit Abstimmung vom 6. November 2012 erfolgreich war. 56,5% stimmten für das Referendum und somit für die Beibehaltung der liberalen Regelung von 2004. Montana ist offensichtlich ein Staat, in dem die Regierung nicht will, was die Bevölkerung will.
Alkoholbedingte Verkehrstote
In keinem der Staaten, die vor der Jahrtausendwende Regelungen für Cannabis als Medizin einführten, gab es im Jahr 2010 mehr alkoholbedingte Verkehrstote als im Bundesdurchschnitt der USA. Die geringste Zahl wurde im Bundesstaat Oregon mit 1,8 pro 100.000 Einwohner registriert. Das waren 45% weniger als im Bundesdurchschnit der USA, der bei 3,3 lag. In Kalifornien waren es mit 2,0 immerhin noch knapp 40% weniger als im Bundesdurchschnitt.
Abbildung 2 zeigt die Zahl der alkoholbedingten Verkehrstoten im Jahr 2010 pro 100.000 Einwohner für die US-Bundesstaaten, die vor der Jahrtausendwende Regelungen für Cannabis als Medizin eingeführt haben. Im Schnitt lag in diesen Staaten die Zahl der alkoholbedingten Verkehrstoten um knapp 25% unter dem Bundesdurchschnitt. Langfristig scheinen Programme für Cannabis als Medizin signifikante positive Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit zu haben.
„Eine Studie von 2011 zeigt eine Verbindung auf, zwischen US-Bundesstaaten die Medizinisches Cannabis legalisiert und weniger Tote bei Verkehrsunfällen haben. Die Studie wurde von D. Mark Anderson durchgeführt, einem Ökonomieprofessor an der Montana State Univerity und Daniel Rees, ein Professor an der University of Colorado, Denver.
Sie schauten sich die Daten der einzelnen Bundesstaaten an, darunter die Nationalen Umfragen zu Drogenkonsum und Gesundheit. Anderson und Rees entdeckten, dass Bundesstaaten, in denen Medizinalhanf legalisiert worden ist, durchschnittlich neun Prozent weniger Todesfälle bei Verkehrsunfällen zu verzeichnen waren.“
Solche Fakten sind vor allem auch für die Versicherungswirtschaft von Interesse. Weniger schwere Unfälle bedeutet für Versicherungen, geringere Beträge für Leistungen erbringen zu müssen. Das bedeutet einen höheren Gewinn respektive die Möglichkeit, Prämien in Staaten mit Regelungen für die Abgabe von Cannabis als Medizin senken zu können, was ein Wettbewerbsvorteil darstellt.
Die Meinungen über die Wirkung von Drogen sind bei der Bevölkerung in Deutschland sehr unterschiedlich. Dies wird hier am Beispiel der Meinungen zur „Gesundheitsschädigung durch Alkohol und Hanfkraut oder Haschisch“ aufgezeigt. Anhand der Ergebnisse von zwei repräsentativen Umfragen aus den Jahren 2001 und 2014 wird ersichtlich, wie gering der Einfluss wissenschaftlicher Erkenntnisse auf die Meinungsbildung ist.
Gesundheitsschädigung durch Alkohol und Haschisch
1997 hatte Bernhard Kouchner, Staatssekretär für Gesundheit im französischen Ministerium für Arbeit und Solidarität den Pariser Pharmazieprofessor Bernard Roques, der das Nationale Institut für Gesundheit und medizinische Forschung (INSERM) leitete, beauftragt, die internationale Literatur zu sichten und die Gefährlichkeit von Drogen zu vergleichen. Im Mai 1998 legte er dem Ministerium einen 190 Seiten starken Bericht vor, der von einer zehnköpfigen Expertenkommission und weiteren externen Beratern erstellt worden war. Im Juni 1998 wurde der Bericht der Öffentlichkeit präsentiert. Auch die deutsche Presse berichtete ausführlich über diesen Bericht. Eine der zentralen Aussagen des „Roques-Reports“ an das französische Gesundheitsministerium ist die Einteilung der Substanzen in drei Risikogruppen. Zu den gefährlichsten Mitteln zählen danach Opiate, Alkohol und Kokain. In die mittlere Kategorie fallen Ecstasy, Aufputschmittel, Benzodiazepine (Beruhigungsmittel) und Tabak. Relativ geringe Risiken seien dagegen mit Cannabisprodukten wie Haschisch und Marihuana verbunden. Gemäß dieser Studie ist die Behauptung „der Konsum von Hanfkraut oder Haschisch sei gefährlicher als der Konsum von Alkohol“ ein Irrglaube.
Verbreitung des Irrglaubens im Jahr 2001
Obwohl die Medien ausführlich über die Ergebnisse dieser Studie berichteten, war im Jahr 2001 mehr als die Hälfte der Bayern (54%) im Jahr 2001 der Meinung, dass Gras und Haschisch für die Gesundheit schädlicher seien als Alkohol; in der Hauptstadt Berlin teilte nicht einmal ein Viertel der Befragten (23%) diese Ansicht. Die Mehrheitsmeinung der Bayern entsprach auch der Ansicht der Mehrheit der Deutschen mit Volksschulbildung (52% bis 53%), der Deutschen die REPs, DVU oder NPD wählten (57%) wie auch der Deutschen, die CDU respektive CSU wählten (53%). Im Gegensatz dazu glaubte nur eine Minderheit von 29% der Deutschen mit Abitur oder Hochschulabschluss, dass Cannabisprodukte schädlicher seien als Alkohol. Von den Deutschen, die Grün wählten, teilte sogar nur jeder Fünfte (20%) diese Ansicht, bei den Wählern der PDS etwa jeder Dritte (34%).
Bei Wählern rechtsradikaler oder rechtskonservativer Parteien wie auch in den Bevölkerungsschichten mit niedrigem Bildungsniveau herrschte im Jahr 2001 mehrheitlich die Meinung vor, dass Cannabisprodukte für die Gesundheit schädlicher seien als Alkohol, bei Wählern der Parteien aus der Mitte (SPD, FDP) wie auch in Schichten mit mittlerem Bildungsniveau wurde die Schädlichkeit von Cannabisprodukten und Alkohol etwa gleich groß eingeschätzt, bei Wählern der linksgrichteteten PDS und der Grünen wie in Schichten mit hohem Bildungsniveau wurde hingegen Alkohol als gefährlicher eingeschätzt als Cannabisprodukte. Dies war das Ergebnis einer Emnid-Umfrage im Auftrag der Landesarbeitsgemeinschaft Drogen (LAG-Drogen) von Bündnis 90/Die Grünen vom August 2001. Die folgenden zwei Tabellen zeigen die Aufschlüsselung der Antworten auf die Frage zur Zustimmung der Behauptung: „Der Konsum von Hanfkraut oder Haschisch ist gesundheitsschädlicher als der Konsum von Alkohol.”
Tabelle 1 zeigt den Grad der Zustimmung oder Ablehnung der Behauptung, der Konsum von Hanfkraut oder Haschisch sei gefährlicher als der Konsum von Alkohol aufgeschlüsselt nach Bildungsgrad gemäß Umfrage aus dem Jahr 2001. Zum Vergrößern der Abbildung, bitte Bild anklicken.
Tabelle 2 zeigt den Grad der Zustimmung oder Ablehnung der Behauptung, der Konsum von Hanfkraut oder Haschisch sei gefährlicher als der Konsum von Alkohol aufgeschlüsselt nach Parteipräferenz gemäß Umfrage aus dem Jahr 2001. Zum Vergrößern der Abbildung, bitte Bild anklicken.
Studien aus den Jahren 2007 bis 2010
In der Studie „Ranking van drugs – Een vergelijking van de schadelijkheid van drugs“ (Ranking von Drogen – Ein Vergleich von der Schädlichkeit diverser Drogen) des Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieu in Bilthoven im Auftrag des Ministeriums für Gesundheit, Wohlfahrt und Sport haben 20 Experten die Gefährlichkeit von Drogen für das Individuum wie auch für die Gesellschaft untersucht. Die Studie, in der Alkohol gemäß diverser Kriterien als signifikant gefährlicher als Cannabis eingestuft wurde, wurde im Jahr 2009 veröffentlicht. Zum Expertenteam gehörten Apotheker, Ärzte, Biologen, Epidemiologen, Psychiater, Toxikologen sowie Experten der Polizei. Die Niederländer untersuchten die akute sowie die chronische Toxizität von Drogen, das sogenannte Abhängigkeitspotenzial und zudem die individuelle sowie die gesellschaftliche soziale und allgemeine Schädigung. In den Abbildungen des Artikels „Plädoyer für Magic Mushrooms Social Clubs“ in diesem Blog sind die Ergebnisse dieser Studie in der Übersicht dargestellt.
Die Medien berichteten ausführlich über die Studien von David Nutt in Großbritannien. Dennoch glaubten im Jahr 2014 gemäß einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap im Auftrag des Deutschen Hanfverbands 20% der Bevölkerung in Deutschland, dass der Konsum von Cannabis gefährlicher sei als der Konsum von Alkohol. Auch im Jahr 2014 zeigte es sich, dass Menschen mit höherer Schulbildung weniger anfällig für diesen Irrglauben sind als Menschen, die nur die Haupt- oder Volksschule besucht haben.
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass im Jahr 2014 mehr SPD-Wahler (27%) als CDU/CSU-Wähler (22%) glaubten, dass der Konsum von Cannabis gefährlicher sei als der Konsum von Alkohol. Im Jahr 2001 stimmten noch 30% der CDU/CSU-Wähler dieser Aussage voll und ganz zu, jedoch nur 23% der SPD-Wähler.
Tabelle 3 zeigt den Grad der Zustimmung oder Ablehnung der Behauptung, der Konsum von Hanfkraut oder Haschisch sei gefährlicher als der Konsum von Alkohol aufgeschlüsselt nach Bildungsgrad gemäß Umfrage aus dem Jahr 2014. Zum Vergrößern der Abbildung, bitte Bild anklicken.
Tabelle 4 zeigt den Grad der Zustimmung oder Ablehnung der Behauptung, der Konsum von Hanfkraut oder Haschisch sei gefährlicher als der Konsum von Alkohol aufgeschlüsselt nach Parteipräferenz gemäß Umfrage aus dem Jahr 2014. Zum Vergrößern der Abbildung, bitte Bild anklicken.
Irrglaube und Meinungsbildung
Gemäß der Auswertung der repräsentativen Umfrage von infratest dimap aus dem Jahr 2014 stimmten nur 8% jener, die glauben, dass der Konsum von Hanfkraut oder Haschisch gefährlicher sei als der Konsum von Alkohol, der Forderung zu, dass Cannabis für Volljährige legal und reguliert erhältlich sein sollte. Diejenigen, die aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnissen glauben, dass der Konsum von Hanfkraut oder Haschisch weniger gefährlicher sei als der Konsum von Alkohol, stimmten mit 62% dieser Forderung zu.
Abbildung 1 zeigt die Zustimmungsraten für einen legalen und regulierten Cannabismarkt in Abhängigkeit der Einschätzung des Schädigungspotenzials von Cannabis im Vergleich zum Alkohol. Angaben gemäß der repräsentativen Umfrage von infratest dimap im Auftrag des Deutschen Hanfverbands aus dem Jahr 2014.
In der Politik in Deutschland scheint der wissenschaftlich schon lange wiederlegte Irrglaube immer noch Leitmotiv bei den Entscheidungen zu sein. Weder die Bundesregierung noch die Mehrheit der Parlamentarier sind gewillt, die Auswirkungen der Drogenpolitik evaluieren zu lassen. Sie scheinen die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Gefährlichkeit von Cannabis und Alkohol zu scheuen wie der Teufel das Weihwasser.
Heute, Freitag, 26. Juni 2015, ist wieder „Weltdrogentag“. Der „Weltdrogentag“, offiziell International Day against Drug Abuse and Illicit Trafficking oder Internationaler Tag gegen Drogenmissbrauch und unerlaubten Suchtstoffverkehr findet jährlich am 26. Juni statt. Dieser Aktionstag wurde im Dezember 1987 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen festgelegt und ist gegen den Missbrauch von Drogen gerichtet. Ähnlich wie der Weltnichtrauchertag ist der Weltdrogentag jedes Jahr Anlass für Aktionen und Pressemitteilungen. Seitens der Vereinten Nationen ist das United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) für den „Weltdrogentag“ verantwortlich.
Das alte Motto des Weltdrogentages
Wie auf der Website www.weltdrogentag.eu zu lesen ist, war das Motto des Weltdrogentages in den letzten Jahren: „Drogenkontrolle kontrolliert MEIN LEBEN! Dein Leben. Dein Umfeld. Dein Platz für Drogen.“ Dieser Slogan gilt für drei Jahre und widmet sich jedes Jahr jeweils einem der folgenden Themen: Drogenmissbrauch, Drogenproduktion und Kultivierung sowie das Illegalisieren des Drogenhandels.
Mit dieser Kampagne möchte das UNODC die Aufmerksamkeit auf die großen Probleme durch illegalisierte Drogen in der Gesellschaft lenken. Kein Mensch, keine Familie und keine Gemeinschaft ist in Sicherheit, wenn Drogenkontrollen überhand nehmen.Schadensminderung durch präventives Kiffen?Schadensminderung durch präventives Kiffen?
Drogenkontrolle kann den Geist von eigenständigen Konsumenten schädigen und deren Körper gefangen nehmen. Der Anbau von Pflanzen, die zu den „Drogen“ gezählt werden können helfen, Landwirten in kriegszerstörten Ländern ihre Familien zu ernähren. Drogenrepression schafft Kriminalität und illegalen Handel.
Das Ziel der Kampagne ist es, Personen zu inspirieren und Unterstützung für eine gerechte und effektive Drogenpolitik zu finden. Die Vorgaben sind schlicht und die Slogans flexibel. Beispielsweise können Variationen des Slogans für verschiedene Kontexte angepasst werden.
Das neue Motto des Weltdrogentages
Gemäß Website der Vereinten Nationen lautet das neue Motto des Weltdrogentages: „Lasst uns unser Leben, unsere Lebensgemeinschaft und unsere Identität ohne Drogen entwickeln.“ (Lets Develop – Our Lives – Our Communities – Our Identities – Without Drugs).
Das bedeutet im Klartext, dass das UNODC eine drogenfreie Welt anvisiert: Kein Kaffee mehr, kein Alkohol mehr, kein Tabak mehr, kein Hanf mehr, keine Zauberpilze mehr, also kein gar nichts mehr, dass aufgrund seiner psychotropen Wirkung her das Gemüt, die Sinne und den Geist erfreuen kann. Das UNODC fordert mit diesem Motto eine nüchterne normative Welt in der Drogenkultur kein Platz hat. Ob eine solche Welt in erster Linie die Lebensqualität der Menschen verbessert oder ob es bei der Durchsetzung einer Gesundheitsdiktatur, deren Auswirkungen man ja heute schon beim „globalen Krieg gegen Drogen“ beobachten kann, vorwiegend Lebensgrundlagen von Menschen zerstört werden, darüber schweigt sich das UNODC aus. Angaben zu den Kollateralschäden der derzeitigen und der anvisierten Drogenpolitik sucht man vergeblich in den amtlichen Pressemitteilungen zum Weltdrogentag.
Schadensminderung durch Kiffen
In Berlin wird viel gekifft. 41,5% der Berlinerinnen und Berliner haben schon mal in ihrem Leben gekifft, 11,3% taten dies im letzten Jahr und 5,3% im Letzten Monat (Kraus, Pabst, Gomes de Matos & Piontek; Epidemiologischer Suchtsurvey Berlin 2012, S. 34). Zum Vergleich: Bundesweit haben in Deutschland 23,2% der Bevölkerung schon mal gekifft, im letzten Jahr waren es 4,5% und im letzten Monat 2,3% (REITOX Jahresbericht für Deutschland 2014, S. 29). In Berlin kiffen aktuell somit mehr als doppelt so viele Menschen als im Bundesdurchschnitt.
Auch in Hamburg wird viel gekifft. Das Büro für Suchtprävention der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen e. V. veröffentlichte 2014 zahlen zum Cannabis- und zum Alkoholkonsum in Hamburg und einigen anderen Orten zum Vergleich. Im Hamburg sank die Lebenszeitprävalenz (mindestens einmal im Leben konsumiert) von Alkohol bei den 14- bis 17-jährigen im Zeitraum von 2007 bis 2012 von 83 auf 77 Prozent, die Lebenszeitprävalenz von Cannabis stiegt hingegen von 23 auf 29 Prozent. Die 30-Tage-prävalenz (mindestens einmal im letzten Monat konsumiert) von Cannabis stieg im gleichen Zeitraum bei den 14- bis 15-jährigen von 7 auf 13 Prozent und bei den 16- bis 17-jährigen von 11 auf 22 Prozent. Dies sind deutlich höhere Werte als im Bundesdurchschnitt.
Wo viel gekifft wird, da wird offensichtlich weniger gesoffen, da in Hamburg und in Berlin weit weniger Menschen aufgrund einer Alkoholintoxikation in einem Krankenhaus behandelt werden müssen. Im Drogen- und Suchtbericht vom Mai 2015 ist auf Seite 21 eine ganzseitige Abbildung zu sehen, auf der die Krankenhausbehandlungen aufgrund von Alkoholvergiftungen für die einzelnen Bundesländer in Relation zur Einwohnerzahl (pro 100.000 Einwohner) dargestellt sind. Die niedrigsten Werte weisen die Stadtstaaten Hamburg (131,4) und Berlin (162,6) auf, für Bayern ist ein Wert angegeben, der mehr als dreimal so groß ist wie derjenige für Hamburg. In Bayern mussten über 430 Personen pro 100.000 Einwohner wegen einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt werden. Nur im Saarland waren es noch mehr: 505,1.
Die Abbildung zeigt die Zahl der Krankenhausbehandlungen aufgrund von Alkoholvergiftungen in den einzelnen Bundesländern je 100.000 Einwohner im Jahr 2013. Komasaufen scheint im Saarland und in Bayern üblicher zu sein als in den Kifferhochburgen Hamburg und Berlin.
Präventives Kiffen
Die OECD publizierte am 12. Mai 2015 unter dem Titel „Eindämmung von schädlichem Alkoholkonsum“ eine Reihe von Vorschlägen, wie der exzessive Alkoholkonsum eingedämmt werden könnte. Unter den Vorschlägen ist „präventives Kiffen“ nicht zu finden, obwohl man durch Kiffen statt Saufen die Morbiditätskosten wie auch die Mortalitätskosten drastisch senken könnte. Letzteres vor allem, da aufgrund übermäßigen Alkoholkonsums jährlich allein in Deutschland Zehntausende von Menschen sterben, aufgrund eines übermäßigen Cannabiskonsums jedoch keine Todesfälle bekannt sind.
Dass Kiffer weniger saufen als die Durchschnittsbevölkerung ist seit langem bekannt. So hat die Arbeitsgruppe „Hanf und Fuß“ bereits im Jahr 1993 bei einer großen Umfrage festgestellt, dass Kiffer beim Joint oder bei der Wasserpfeife lieber Tee als Bier trinken. In der 1994 im Nachtschatten Verlag und bei Werner Pieper’s MedienXperimente unter dem Titel „Unser gutes Kraut – Das Portrait der Hanfkultur“ erschienen Auswertung der Umfrage kann nachgelesen werden, was Kiffer gerne beim Rauchen trinken (Mehrfachnennungen möglich):
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) veröffentlichte im September 2015 unter dem Titel „Der Cannabiskonsum Jugendlicher und junger Erwachsener in Deutschland 2014“ die Ergebnisse einer aktuellen Repräsentativbefragung und Trends. Die Pressemitteilung der BZgA zu dieser Veröffentlichung erschien am 15. September 2015 unter dem Titel „Neue BZgA-Studie: Anstieg des Cannabiskonsums bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen“. In der Studie werden vor allem Daten von 2008 und 2014 miteinander verglichen. In den Studien der BZgA werden für Deutschland repräsentative Stichproben von mehreren Tausend Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 12 bis 25 Jahren mit computergestützten Telefoninterviews befragt.
Im Jahr 2008 lagen die ermittelten Anteile der Jugendlichen und jungen Erwachsenen deutlich niedriger als dies im Jahr 2004 bei einer analogen Umfrage der Fall war. Dieser Rückgang wurde seinerzeit als Erfolg der staatlichen Präventionsbemühungen gefeiert. Nicht berücksichtigt wurde dabei die in den Jahren 2006 bis 2008 in den Medien heftig diskutierten staatlichen Bemühungen in Sachen Vorratsdatenspeicherung und Telefonüberwachung, die vor allem vor und nach den Demonstrationen „Freiheit statt Angst“ jeweils eine besonders intensive Berichterstattung hervorgerufen hatten. Es wurde auf jeden Fall nicht untersucht, ob der Wahrheitsgehalt der Antworten bei solchen telefonischen Umfragen durch die Berichterstattung zur Vorratsdatenspeicherung und Telefonüberwachung negativ beeinflusst wurde und somit eventuell ein zu geringer Anteil an Personen mit Konsumerfahrung sich herauskristallisierte.
Die Lebenszeitprävalenz des Cannabiskonsums (mindestens einmal im Leben konsumiert) lag 2014 bei den 18- bis 25-Jährigen bei 36%. Gemäß der Befragungen der BZgA lag diese in den Jahren 2011 (39,2%), 2008 (40,9%) und 2004 (43,0%) deutlich höher als 2014. Die Monatsprävalenz (mindestens einmal im letzten Monat konsumiert) lag 2014 bei 7,4%. In den Jahren 1997 (9,7%), 1993 (9,9%) und 1982 (10,0%) lag diese deutlich höher als im Jahr 2014, wie man der folgenden Abbildung entnehmen kann. Abbildung 1 – Cannabiskonsum bei 18- bis 25-Jährigen; Zeitreihe 1973 bis 2014 – zeigt in Prozent den Anteil der 18- bis 25-Jährigen, die schon einmal im Leben, im letzten Jahr und im letzten Monat Cannabis konsumiert haben. Daten bis 1989 beziehen sich auf die alten Bundesländer und Westberlin, Daten ab 1993 beziehen sich auf alle 16 Bundesländer. Datenquelle: BZgA 2015.
Cannabiskonsum bei 12- bis 17-Jährigen
Die Lebenszeitprävalenz des Cannabiskonsums lag 2014 bei den 12- bis 17-Jährigen bei 8,9%. Vor zehn Jahren lag diese noch bei 15,1%. Auch die Jahresprävalenz lag vor zehn Jahren mit 10,1% deutlich höher als 2014 mit 7,7%. Die Monatsprävalenz lag 2014 mit 3,0% etwas höher als vor zehn Jahren (2,4%), jedoch deutlich niedriger als im Jahr 1997. Damals betrug diese 4,8%. Der Cannabiskonsum von Jugendlichen ist zwar im Zeitraum von 2011 bis 2014 angestiegen, war aber in früheren Jahren schon deutlich höher als in der letzten Befragung ermittelt wurde. Abbildung 2 – Cannabiskonsum bei 12- bis 17-Jährigen; Zeitreihe 1973 bis 2014 – zeigt in Prozent den Anteil der 12- bis 17-Jährigen, die schon einmal im Leben, im letzten Jahr und im letzten Monat Cannabis konsumiert haben. Daten bis 1989 beziehen sich auf die alten Bundesländer und Westberlin, Daten ab 1993 beziehen sich auf alle 16 Bundesländer. Datenquelle: BZgA 2015.
Regelmäßiger Alkoholkonsum
Der regelmäßige Alkoholkonsum ist bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. Gaben 1976 ganze 70% der jungen Erwachsenen (18- bis 25-Jährigen) an, regelmäßig Alkohol zu konsumieren, so waren es 2014 nur noch etwa halb so viele (35,5%). Bei den 16- und 17-Jährigen ist der regelmäßige Alkoholkonsum in diesem Zeitraum sogar um mehr als die Hälfte zurückgegangen, von 56,8% auf 26,2%. Die 12- bis 15-Jährigen wurden erst ab 1979 diesbezüglich befragt. Mitte der 80er Jahre gaben über 15% der Befragten in dieser Altersgruppe an, regelmäßig Alkohol zu konsumieren, 2014 waren es weniger als 5%.
Alleine in den letzten zehn Jahren ist der Anteil der 16- und 17-Jährigen, die angaben, regelmäßig Alkohol zu konsumieren, von 43,7% auf 26,2%, das heißt um 17,5 Prozentpunkte gesunken. Bei den 12- bis 15-Jährigen sank in den letzten zehn Jahren der Anteil von 10,4% auf 4,7%, das heißt um mehr als die Hälfte. Abbildung 3 – Regelmäßiger Alkoholkonsum nach Altersgruppen; Zeitreihe 1973 bis 2014 – zeigt deutlich den Rückgang des regelmäßigen Alkoholkonsums bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 12 bis 25 Jahren nach Altersgruppen gegliedert in den letzten Jahrzehnten. Daten bis 1989 beziehen sich auf die alten Bundesländer und Westberlin, Daten ab 1993 beziehen sich auf alle 16 Bundesländer. Datenquelle: BZgA 2015.
Häufiges Rauschtrinken
Rauschtrinken (im Englischen „binge drinking“) meint den Konsum größerer Mengen Alkohol bei einer Gelegenheit. Unter größeren Mengen sind mindestens vier (bei Frauen) bzw. fünf (bei Männern) Gläser Alkohol zu verstehen. Das häufige Rauschtrinken bildet den prozentualen Anteil derjenigen ab, die in den letzten 30 Tagen vor der Befragung an vier Tagen oder öfter Rauschtrinken praktiziert haben.
Das häufige Rauschtrinken ist in den letzten zehn Jahren bei den 18- bis 25-Jährigen von 14,0% auf 10,2% gesunken, bei den 16- und 17-Jährigen ist der Anteil sogar noch stärker gesunken, nämlich von 14,3% auf 8,1% und bei den 12- bis 15-Jährigen von 2,8% auf 1,4% – in dieser Altersgruppe hat sich der Anteil also in den letzten zehn Jahren halbiert. Abbildung 4 – Häufiges Rauschtrinken nach Altersgruppen; Zeitreihe 2004 bis 2014 – zeigt deutlich den Rückgang des häufigen Rauschtrinkens bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 12 bis 25 Jahren nach Altersgruppen gegliedert im letzten Jahrzehnt. Datenquelle: BZgA 2015.
Kommentare der Drogenbeauftragten
In der Pressemitteilung der BZgA vom 15. September 2015 „Neue BZgA-Studie: Anstieg des Cannabiskonsums bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen“ wird die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, mit folgenden Worten zitiert: „Der Konsum von Cannabis kann gerade für Jugendliche und junge Erwachsene zu erheblichen gesundheitlichen Problemen führen. Besonders riskant ist ein regelmäßiger Konsum. Ich sehe insbesondere mit Sorge, dass in der Altersgruppe der 12 bis 25 Jährigen die Zahl derer, die regelmäßig Cannabis konsumieren, von 2,3 Prozent auf 3,5 Prozent angestiegen ist. Offenbar wirkt sich die Gesundheitsgefahren verharmlosende Argumentation der Befürworter einer Legalisierung von Cannabis bereits negativ aus. Statt einer verantwortungslos die Gefahren des Cannabiskonsums verklärenden Darstellung, braucht es neben den bestehenden gesetzlichen Regelungen daher mehr denn je fachlich fundierte Aufklärung über die gesundheitlichen Risiken, die gerade für Kinder und Jugendliche mit dem Konsum des illegalen Rauschmittels einhergehen.“
Die Behauptung, die Befürworter einer Legalisierung von Cannabis würden die Gesundheitsgefahren des Cannabiskonsums verharmlosen, ist dreist, da nicht der Realität entsprechend. Real ist hingegen, dass die Befürworter einer Legalisierung die Gefährlichkeit von Alkohol und Cannabis respektive die Risiken, die man bei dem Konsum dieser Substanzen eingeht, häufig beschrieben haben. Beispielsweise die Studien von David Nutt et al. aus den Jahren 2007 und 2010, wo die Gefährlichkeit von verschiedenen Drogen für das Individuum und für die Gesellschaft miteinander verglichen werden, wurden in den Medien der Befürworter einer Legalisierung von Cannabis oft präzise und ausführlich vorgestellt. Alleine in diesem Blog „Drogerie“ befinden sich 12 Artikel, wo auf die Studien von David Nutt et al. Bezug genommen wird. Im Blog von Martin Steldinger Die Hanfplantage findet Google 10 Treffer zu David Nutt, beim Deutschen Hanfverband 14 Treffer, beim Blog Alternative Drogenpolitik von Max Plenert 59 und beim Hanf Journal 57. Hingegen findet man auf den Internetportalen der Drogenbeauftragten und der BZgA keine Treffer zu David Nutt. Hier haben die Befürworter einer Legalisierung von Cannabis weit mehr sachliche Informationen zu den Gefahren des Alkoholkonsums im Vergleich zum Cannabiskonsum vermittelt als die Drogenbeauftragte und die BZgA.
Der Rückgang des regelmäßigen Alkoholkonsums und des Rauschtrinkens in den letzten Jahren bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist somit nicht nur dem Präventionsgesetz und Kampagnen der BZgA wie „Alkohol? Kenn Dein Limit.“ zu verdanken, sondern auch der stetigen Aufklärung seitens der Befürworter einer Legalisierung von Cannabis. Ein Dankeschön hierfür hat die Drogenbeauftragte Marlene Mortler allerdings noch nie über ihre Lippen gebracht.
p.s.
Plakate der Kampagne „Alkohol? Kenn Dein Limit.“ haben schon Jugendliche animiert, sich richtig voll zu saufen, um ihr „Limit“ kennen zu lernen. Zudem wundern sich etliche Jugendliche über die Interpunktion beim Slogan „Alkohol? Kenn Dein Limit.“ – „Kenn Dein Limit“ ist ein Imperativ und die Rechtschreibregeln fordern hier keinen Punkt, sondern ein Ausrufezeichen. Richtig müsste der Slogan somit „Alkohol? Kenn Dein Limit!“ heißen.
Aus den jährlich erscheinenden Statistiken des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden zu den Unfällen unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln im Straßenverkehr kann man entnehmen, dass der Straßenverkehr in Deutschland in den letzten Jahrzehnten signifikant sicherer geworden ist. 1970 gab es in der alten Bundesrepublik (Wessiland) gemäß Destatis 19.193 Verkehrstote. Damals hatte die alte Bundesrepublik 61.502.503 Einwohner. Damals gab es somit in der alten Bundesrepublik weit über 300 Verkehrstote pro Million Einwohner. Im Jahr 2017 kamen in Deutschland weniger als 40 Menschen pro Million Einwohner im Straßenverkehr ums Leben. Vor wenigen Jahrzehnten war das letale Risiko bei der Teilnahme am Straßenverkehr mehr als siebenmal größer als heute, obwohl der Fahrzeugbestand damals nicht einmal halb so groß war wie heute. Bezogen auf jeweils 100.000 Kraftfahrzeuge kamen 1970 über 100 Menschen im Straßenverkehr ums Leben, 2017 waren es noch im Schnitt etwas mehr als fünf. Der nahezu kontinuierliche Rückgang der Zahl der jährlichen Verkehrstoten in Deutschland ist in der folgenden Grafik dargestellt.
Verkehrstote in Deutschland (bis 1990 BRD inklusive DDR und Berlin, ab 1991 ganz Deutschland) als Zeitreihe von 1975 bis 2017. Datenquelle: Destatis
Deutlich weniger Tote und Schwerverletzte seit 1991
Seit 1991 sind Statistiken für ganz Deutschland verfügbar. Seit 1991 ging die Zahl der Verkehrstoten von 11.300 auf 3.180 im Jahr 2017 zurück, was einer Abnahme um knapp 72 Prozent gleichkommt. Die Zahl der Schwerverletzten nahm im gleichen Zeitraum von 131.093 auf 66.513 ab, was einem Rückgang von knapp 50 Prozent entspricht und die Zahl der Leichtverletzten nahm von 374.442 auf 323.799 ab, was einem Rückgang von etwa 13,5 Prozent entspricht.
Verkehrstote in Deutschland, Zeitreihe von 1991 bis 2017 unter Einfluss von Alkohol und anderen Drogen. Datenquelle: Destatis
Bei Unfällen, bei denen Alkoholkonsum mit ursächlich war, zeigen die Daten eine noch stärkere Abnahme der getöteten und geschädigten Menschen. So ging die Zahl der Verkehrstoten bei durch Alkohol bedingten Unfällen seit 1991 von 2.229 auf 231 zurück, was einer Abnahme um knapp 90 Prozent entspricht. Bei den Schwerverletzten konnte hier eine Abnahme von 21.350 auf 4.531 registriert werden, was einem Rückgang um 79 Prozent gleichkommt und bei den Leichtverletzten sank die Zahl von 35.030 auf 12.040, was einem Rückgang um zwei Drittel (-65,6 Prozent) entspricht. Die Zahlen sind bei Alkohol stärker rückläufig als insgesamt, was darauf hindeutet, dass immer mehr Menschen verstehen, dass Alkohol am Steuer keine gute Idee ist.
Verkehrstote in Deutschland, Zeitreihe von 1991 bis 2017, Anteile in Prozent unter Einfluss von Alkohol und anderen Drogen. Datenquelle: Destatis
Bei Unfällen, bei denen Drogen und Medikamente mit ursächlich waren, zeigen die Daten eine andere Entwicklung, wobei hier festgestellt werden muss, dass die Überprüfung der FahrerInnen auf Drogen und Medikamenten in den letzten Jahren stark zugenommen hat, so dass in den frühen 90er Jahre sicher viele Fälle unentdeckt blieben. 1991 wurden 18 Verkehrstote bei Unfällen registriert, bei denen Drogen und/oder Medikamente mit ursächlich waren. Um die Jahrtausendwende stieg diese Zahl auf über 60 an, wobei 2002 die höchste Zahl von 68 registriert wurde. Danach ging auch hier die Zahl der Fälle wieder zurück und pendelte sich in den letzten zehn Jahren zwischen 31 und 47 ein. Bei den Schwerverletzten gab es hingegen hier eine deutliche Zunahme von 224 auf 750, was einer Steigerung um 235 Prozent entspricht. Bei den Leichtverletzten stieg hier die Zahl von 404 auf 1.978, was einer Zunahme um 390 Prozent entspricht.
Cannabiskonsum und Fahreignung
Was die Fahreignung in Bezug auf den Cannabiskonsum anbelangt, divergieren die Ansichten der Verkehrsexperten und die der in diesem Bereich verantwortlichen Politikerinnen und Politiker. Gemäß Pressemitteilung vom 24. Januar 2018 des Deutschen Anwaltvereins (DAV) zum 56. Deutschen Verkehrsgerichtstages in Goslar werde in Deutschland der Alkoholkonsum verkehrsrechtlich anders behandelt als der Cannabiskonsum. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) bezweifelt, ob dies gerechtfertigt sei.
„Die unterschiedliche Fahreignungsbetrachtung zwischen Alkoholkonsum und Cannabiskonsum ist nicht nachvollziehbar“, betonte Rechtsanwalt Christian Janeczek für die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV. Nicht nachvollziehbar sei, warum die Verwaltungsgerichte auch nicht dem von der Grenzwertkommission bereits Ende des Jahres 2015 empfohlenen Richtwert von einer THC Konzentration von 3 ng/ml im Blutserum folgen. Die Grenzwertkommission hatte bereits 2015 gemeint, dass erst ab diesem Wert man von einer Trennung von privatem Konsum und der Tauglichkeit am Straßenverkehr teilzunehmen, nicht mehr gesprochen werden könne. Die Gerichte hielten nicht nachvollziehbar weiterhin am Grenzwert 1 ng/ml fest. „Es steht in Frage, ob die Praxis der Gerichte wissenschaftlich belegbar ist, wenn beim Alkohol Bedenken erst ab 1,6 Promille bestehen“, so Janeczek weiter. Für die Verkehrssicherheit komme es allein darauf an, ob der Betroffene zwischen Konsum und Teilnahme am Straßenverkehr trennen könne.
Die Unausgewogenheit wird anhand der Beispiele deutlich: Alkohol am Steuer: Der Alkoholtäter kann so viel Alkohol in seinem Leben getrunken haben, wie er mag. Wird er betrunken mit erstmals 1,09 Promille fahrenderweise angetroffen, dann passiert mit der Fahrlaubnis nichts. Cannabiskonsum am Steuer: Wer aber das erste Mal mit 1,0 ng/ml THC angetroffen wird und selbst angibt schon irgendwann einmal in seinem Leben vor vielen Jahren ein einziges weiteres Mal Cannabis geraucht zu haben, gilt sofort als charakterlich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Ihm wird die Fahrlaubnis entzogen, er muss eine sechsmonatige Abstinenzzeit nachweisen und dann die Fahrerlaubnis komplett neu beantragen. Voraussetzung ist die bestandene MPU. Alkohol auf dem Fahrrad: Der betrunkene Fahrradfahrer gilt fahrerlaubnistechnisch bekanntlich erst ab 1,6 Promille als Problemfall. Dann kommen aber auch nur Eignungszweifel auf, die er mittels MPU ausräumen kann. Bis dahin darf er weiterhin Kfz fahren. Mischkonsum ohne am Straßenverkehr teilgenommen zu haben: Wer hingegen gelegentlicher Cannabiskonsument ist und nur 1,0 ng/ml THC und zudem Alkohol im Blut hat oder jugendlichen Alters war (ohne ein Kfz gefahren zu haben!), der gelte sogleich als charakterlich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Er braucht hierfür nicht am Kraftfahrzeugverkehr teilgenommen zu haben.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Arbeitskreis V – Cannabiskonsum und Fahreignung – des Deutschen Verkehrsgerichtstages die Überarbeitung der Fahrerlaubnis-Verordnung im Hinblick auf Arzneimittel und andere berauschende Mittel durch den Verordnungsgeber. Der Arbeitskreis ist der Auffassung, dass der erstmalig im Straßenverkehr auffällig gewordene, gelegentliche Cannabiskonsument nicht ohne Weiteres als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen sei, sondern lediglich Zweifel an seiner Fahreignung auslöse, die er mittels einer MPU ausräumen kann. Der Arbeitskreis vertritt zudem die Meinung, dass nicht bereits ab 1 ng/ml THC im Blutserum fehlendes Trennungsvermögen unterstellt werden dürfe. Er teilt die Feststellungen der Grenzwertkommission, wonach dies erst ab einem THC-Wert von 3 ng/ml Blutserum der Fall sei.
Begutachtung der Fahreignung (MPU)
Die jährlichen Statistiken der Bundesanstalt für Straßenwesen (bast) erscheinen als Pressemitteilungen, jeweils mit einem ausführlichen Anhang. Sie vermitteln einen Überblick über die Verteilung der verschiedenen Anlassgruppen, die einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU, im Volksmund auch Idiotentest genannt) zugewiesen werden, sowie eine Zusammenfassung der Ergebnisse der MPU-Gutachten. In der längsschnittlichen Betrachtung der Jahresstatistiken können Veränderungen der Anzahl der angeordneten MPU-Gutachten aufgezeigt werden, die für die verschiedenen Anlassgruppen ggf. aufsteigende oder absteigende Tendenzen erkennen lassen.
Medizinisch-Psychologische Untersuchungen, Begutachtung der Fahreignung, Zeitreihe von 2000 bis 2017 augeschlüsselt nach Gesamtzahl und anlassbezogen bei Alkohol sowie andere Drogen. Datenquelle: Bundesanstalt für Straßenwesen: Begutachtung der Fahreignung (Jahrgang)
Die jährlichen Gesamtzahlen der durchgeführten medizinisch-psychologischen Untersuchungen haben von 1990 bis 2017 um 25 Prozent abgenommen, diejenigen, die anlässlich von Alkohol am Steuer durchgeführt wurden sogar um 56 Prozent. Bei den wegen anderen Drogen durchgeführten Untersuchungen musste jedoch im gleichen Zeitraum eine Zunahme um 185 Prozent registriert werden.
Medizinisch-Psychologische Untersuchungen, Begutachtung der Fahreignung, Zeitreihe von 2000 bis 2017 aufgeschlüsselt nach Anteilen in Prozent betreffend Alkohol sowie andere Drogen. Datenquelle: Bundesanstalt für Straßenwesen: Begutachtung der Fahreignung (Jahrgang)
Der Anteil der medizinisch-psychologischen Untersuchungen betreffend Alkohol sank im Zeitraum von 1990 bis 2017 von 75,1 auf 44,5 Prozent, was einer Abnahme um 30,6 Prozentpunkte entspricht. Bei den anderen Drogen stieg der Anteil von 6,9 auf 24,6 Prozent, was einem Anstieg um 17,7 Prozentpunkte entspricht.
Ergebnisse der MPU-Gutachten
Die MPU-Gutachten bieten der Straßenverkehrsbehörde die psychologische und medizinische Grundlage für die Entscheidung, ob den Klienten (je nach Prognose) die Fahrerlaubnis zugesprochen wird oder nicht. Wird die Fahrerlaubnis nicht zugesprochen, kann der Klient diese nach einem festgesetzten Zeitraum erneut beantragen. Bei manchen Anlassgruppen kann der Klient aufgrund des MPU-Gutachtens auch als nachschulungsfähig eingestuft werden und nach der Teilnahme an entsprechenden Kursen die Fahreignung wiedererlangen.
MPU-Ergebnisse bei Alkohol, Tatauffällige erstmalig und wiederholt, Zeitreihe von 2001 bis 2017 aufgeschlüsselt nach geeignet, nachschulungsfähig und ungeeignet. Datenquelle: Bundesanstalt für Straßenwesen: Begutachtung der Fahreignung (Jahrgang)
Bei den erstmalig Tatauffälligen wegen Alkohol wurden im Jahr 2017 mehr als die Hälfte (54 Prozent) nach der MPU für geeignet befunden, wieder ein Fahrzeug zu führen, bei den wiederholt Tatauffälligen war dies jedoch bei weniger als der Hälfte (47 Prozent) der Fall.
MPU-Ergebnisse bei Betäubungsmittel- u. Medikamentenauffällige, Zeitreihe von 2001 bis 2017 aufgeschlüsselt nach geeignet, nachschulungsfähig und ungeeignet. Datenquelle: Bundesanstalt für Straßenwesen: Begutachtung der Fahreignung (Jahrgang)
Bei den Betäubungsmittel- u. Medikamentenauffälligen wurden im Jahr 2017 fast zwei Drittel (64 Prozent) nach der MPU für geeignet befunden, wieder ein Fahrzeug zu führen. Das sind deutlich mehr, als dies bei Alkoholauffälligen der Fall ist. Offenbar bereitet sich diese Gruppe besser auf die MPU vor als die Alkoholauffälligen.
In einem Interview mit der Drogenbeauftragten Daniela Ludwig (CSU), das unter dem Titel „Viele sagen: Unser Modell funktioniert nicht – Drogenbeauftragte fordert neue Cannabis-Debatte“ am 10. November 2019 erschien, sagte sie zur Frage, ob man Cannabis legalisieren solle, dass wir einen neuen Dialog über Cannabis bräuchten. So erfreulich diese Erkenntnis ist, so absurd erscheint die Tatsache, dass immer nur von Cannabis die Rede ist, gibt es doch Drogen, die derzeit genau so wie Cannabis in den Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes aufgelistet sind, obwohl viele Experten sie für weitaus weniger gefährlich halten, wie beispielsweise LSD und die Zauberpilze.
„Die Eidgenössische Kommission für Drogenfragen (EKDF) kam 2015 zum Schluss, dass es eine ideale Regulierung gar nicht gibt. Ob der Konsum von Drogen gefährlich und schädlich für das Individuum oder die Gesellschaft sei, so argumentiert sie, hänge von vielerlei Faktoren ab. Die Gefahren sind vielfältig und reichen von einer möglichen Überdosis über Abhängigkeit und Krankheit bis hin zu Gewalt und Unfällen.
Doch nicht nur verbotene Drogen bergen diese Gefahren, sondern auch legale psychoaktive Substanzen wie Alkohol, Tabak und verschiedene Medikamente. Weil die Substanzen selbst und die Umstände, unter denen sie konsumiert werden, sehr verschieden sind, lassen sich auch der Zeitpunkt des Eintretens eines Schadens oder gar dessen Ausmaß nicht verlässlich bestimmen. Dieser Unvorhersehbarkeit müsse, so die EKDF, Rechnung getragen werden. Das wiederum bedeutet, dass sich die Gesetzgebung nicht an einzelnen Substanzen, sondern an den Konsumformen und -umständen orientieren müsse, die tatsächlich Schäden verursachen und in diesem Sinn problematisch sind.
Damit erneuert die Kommission zum Abschluss ihrer Tätigkeit ihr Postulat, wonach der Umgang mit Drogen ein gesellschaftliches und damit gesellschaftspolitisches Problem sei und nur als solches angegangen werden kann. Letztlich sei der gesellschaftliche Umgang mit psychoaktiven Substanzen und ihren vielschichtigen (Aus-)Wirkungen stets eine Gratwanderung zwischen Verklärung und Pathologisierung, zwischen Verharmlosung und Kriminalisierung.“
Im Vorwort des Werkes von Pascal Strupler (Direktor des Bundesamts für Gesundheit), Astrid Wüthrich (Wissenschaftliche Sekretärin der Eidgenössischen Kommission für Drogenfragen) und Silvia Gallego (Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Integrierte Suchthilfe Winterthur) heißt es:
„Der Konsum psychoaktiver Substanzen ist eine anthropologische Konstante. Er wird in der ganzen Menschheitsgeschichte beobachtet und kommt in allen Gesellschaftsformen vor. In diesen Substanzen suchen Menschen Entspannung, Lusterlebnisse, Entgrenzung und Berauschung. Oft werden diese Substanzen in kollektiven Ritualen eingenommen, in lebensgeschichtlich wichtigen Übergangsphasen konsumiert und zur Unterstützung transzendentaler Erlebnisse eingesetzt. Der gelungene Konsum ist in diesen Fällen in der Regel eine gewinnbringende und hilfreiche Kulturtechnik. Daneben können diese Substanzen auch zu Problemen oder einer Abhängigkeit führen.
Psychoaktive Substanzen haben damit vielschichtige, vielfältige Wirkungen. Dieser multiplen Bedeutung wird weder eine einseitige Verklärung noch eine Pathologisierung oder Kriminalisierung dieser Substanzen und damit einhergehender Verhaltensweisen gerecht. Vielmehr gilt es, einen Mittelweg zu finden, der die unterschiedlichen Konsumformen jeweils angemessen berücksichtigt. […] Wenn wir wollen, dass Menschen auch im Umgang mit psychoaktiven Substanzen „konsum- und gesundheitskompetent“ ihr Leben führen und gestalten können, dafür müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Dies bedeutet: Wir dürfen das Thema des Rekreationskonsums psychoaktiver Substanzen nicht tabuisieren, die Substanzen aber auch nicht bagatellisieren, und wir sind angehalten, differenzierte Regulierungsmodelle zu entwickeln, die in Realität umgesetzt werden können und gleichzeitig den wichtigsten gesellschaftspolitischen Zielen Rechnung tragen.“
Drug, Set und Setting
Psychoaktive Substanzen – dies gilt vor allem für Psychedelika – sind somit immer auch Träger von soziokulturell beeinflussten, individuellen Bedeutungswelten und kollektiven Sinngebungen, die sich im Laufe der Zeit verändern. Der Versuch psychoaktive Substanzen zu isolieren und Ursache und Wirkung auf das Individuum alleine an der Substanz festzumachen, muss daher scheitern. Die sogenannte „Gefährlichkeit von Drogen“ kann somit nicht alleine von der Substanzwirkung definiert werden. Die Wirkung einer Drogeneinnahme hängt nicht nur von der Substanz ab, sondern maßgeblich auch vom Set und Setting. Die drei Begriffe Drug, Set und Setting zur Beschreibung therapeutischer und ritueller Drogensitzungen wurden in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts von dem Harvard Professor für Psychologie, Timothy Leary, eingeführt. Der Begriff Set bezieht sich auf das, was jemand in die Konsumsituation einbringt, so die persönlichen Erinnerungen, die eigene Lernfähigkeit, das individuelle Temperament, das vertraute emotionale, ethische und rationale Wertesystem und vor allem die gestellte Erwartungshaltung an die Drogenerfahrung. Das Setting bezieht sich auf das soziale, räumliche und emotionelle Umfeld, das einen vor, während und nach dem Drogengebrauch umgibt. Der wichtigste Aspekt des Settings ist jedoch das Verhalten, das Verständnis und das Einfühlungsvermögen der Person oder Personen, welche die Drogen dem oder den Konsumenten mitbrachten und überreichten. Informationen zu den Eigenschaften der Drogen (Drug), das heißt die rein substanzbezogenen Informationen, können aus Büchern oder Broschüren entnommen werden. Demgegenüber entziehen sich die interagierenden Faktoren der inneren Bereitschaft (Set) und der äußeren Umstände (Setting) einer normierten Betrachtungsweise. Die sogenannte Gefährlichkeit von Drogen respektive das Risiko nach deren Konsum Schaden zu erleiden hängt eben nicht nur von der Substanz ab, sondern maßgeblich auch von Set und Setting.
Die Studien von David Nutt et al.
Die Einstufung als legale beziehungsweise illegale Droge korreliert wenig mit der Einschätzung der Gefährlichkeit wie bei den Studien von David Nutt et al. (Nutt et al. 2007 und 2010). So figurieren beispielsweise Cannabis und Ecstasy weit unten auf der Liste im Unterschied zu Alkohol und Tabak, die als viel gefährlicher eingestuft werden. Expertinnen und Experten prüften 2010 in einem eintägigen Workshop somit nicht nur eine grössere Anzahl Drogen im Vergleich zur Studie von 2007, sondern punkteten diese mit einer 0-100 Ratio-Skala auch mit einer grösseren Anzahl Kriterien, wobei von den insgesamt sechzehn Kriterien sich neun Kriterien auf den individuellen und sieben auf denjenigen Schaden beziehen, den die Droge anderen zufügt (siehe folgende Abbildung).
Gefährlichkeit von Drogen (individuelle und gesellschaftliche Gefährdung insgesamt) gemäß Studie von David Nutt et al. aus dem Jahr 2010.
In dieser Abbildung wie auch in allen folgenden Abbildungen sind die Werte für Alkohol und Tabak rot gekennzeichnet, die für Cannabis grün und die für LSD und Zauberpilze violett, damit eine schnelle Orientierung möglich ist. Die oben stehende Abbildung zeigt die Gefährlichkeit von Drogen (individuelle und gesellschaftliche Gefährdung insgesamt) gemäß Studie von David Nutt et al. aus dem Jahr 2010. Die relative Gefährlichkeit wird hier in einer Skala von 0 bis 100 angegeben, 0 heiß null Gefährdung und 100 heißt höchstmögliche Gefährdung. Alkohol rangiert hier auf Rang 1 mit 72 Punkten, Tabak auf Rang 6 mit 26 Punkten und Cannabis auf Rang 8 mit 20 Punkten. LSD liegt hier auf dem vorletzten Rang mit 7 Punkten und die Zauberpilze liegen auch hier auf dem letzten Rang mit 6 Punkten und weisen somit gemäß dieser Studie auch hier die geringste Gefährlichkeit auf.
Nutt ist davon überzeugt, dass die aktuelle Einstufung von Drogen nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt und sieht darin einen Missstand. Er denkt, dass es falsch ist, Zauberpilze und LSD für ebenso gefährlich zu halten wie Heroin, Crack und Crystal (Methamphetamin). Als Konsequenz daraus müsste dann logischerweise eine Gesetzesreform folgen.
Die Studie von Jan van Amsterdam et al.
Jan van Amsterdam et al. stellen auf der Basis der Studie von David Nutt et al. (Nutt et al. 2007) eine Studie vor (van Amsterdam et al. 2009), in der 19 Freizeitdrogen (17 illegale Drogen plus Alkohol und Tabak) von einem niederländischen Expertenpanel mit 19 Expertinnen und Experten mit unterschiedlichem Expertenwissen (Toxikologie, Pharmakologie, Klinik, Sozialwissenschaft, Epidemiologie, Polizei) nach ihrem Risiko eingestuft worden sind. Dabei verwendeten sie nur drei Indikatoren, nämlich (akute und chronische) Toxizität, Abhängigkeitspotenzial sowie (individueller und gesellschaftlicher) sozialer Schaden.
Akute Gefährdung durch Vergiftungserscheinungen nach der Einnahme verschiedener Drogen gemäß van Amsterdam et al. 2009
Die oben stehende Abbildung zeigt die akute Gefährdung durch Vergiftungserscheinungen nach der Einnahme verschiedener Drogen, auch akute Toxizität genannt. Die relative Gefährlichkeit wird in einer Skala von 0 bis 3 angezeigt. Null bedeutet keine Gefährdung, 3 zeigt ein Höchstmaß an Gefährdung an. Crack und Heroin haben den höchsten akuten Gefährdungswert von 2,4; gefolgt von Methamphetamin mit 2,0 Gefährdungspunkten, gefolgt von Kokain, Alkohol (Rot markiert) und Methadon mit jeweils 1,9 Punkten. Die Zauberpilze (Violett markiert) liegen mit 0,9 Punkten auf Rang 15 der Gefährlichkeitsskala und Cannabis (Grün markiert) mit 0,8 Punkten auf Rang 16 der 19 untersuchten Substanzen. Dass LSD mit 1,5 Punkten im Mittelfeld liegt, offenbart, dass das Setting in der vorgenommenen Studie nicht berücksichtigt wurde. Erfahrene Psychonauten, die LSD auf Festivals genießen, verspüren sehr selten unangenehme Nebenwirkungen. Für diese Konsumenten tendiert die Gefährlichkeit von LSD gegen Null. Für unerfahrene Konsumenten von LSD, die die Substanz in einem ungünstigen Setting einnehmen, kann LSD jedoch die relative Gefährlichkeit von 3 erreichen.
Chronische Toxizität, das heißt die Gefährdung nach Dauerkonsum von verschiedenen Drogen gemäß van Amsterdam et al. 2009
Die oben stehende Abbildung zeigt die chronische Toxizität, das heißt die Gefährdung nach Dauerkonsum von verschiedenen Drogen. Alkohol liegt hier mit 2,5 Punkten auf Rang 3 der Gefährlichkeitsskala, Cannabis mit 1,5 Punkten auf Rang 8, LSD mit 0,7 Punkten auf dem vorletzten Rang und die Zauberpilze liegen mit 0,1 Punkten auf dem letzten Rang (Rang 19). Zauberpilze haben gemäß dieser Studie mit Abstand die geringste chronische Toxizität.
Das sogenannte Abhängigkeitspotenzial von Drogen gemäß van Amsterdam et al. 2009
Die oben stehende Abbildung zeigt das sogenannte Abhängigkeitspotenzial von Drogen, das heißt die Gefahr, sich von einer bestimmten Droge abhängig zu machen. Auf Rang 1 mit 2,9 Punkten liegt hier Tabak, gefolgt von Crack mit 2,6 Punkten. Alkohol liegt hier mit 2,5 Punkten auf Rang 3, Cannabis mit 1,5 Punkten auf Rang 8 und LSD sowie die Zaubepilze mit 0,8 und 0,1 Punkten auf den letzten Rängen 18 und 19. Das Risiko süchtig zu werden, wird in dieser Studie beim Alkoholkonsum deutlich höher eingeschätzt als beim Cannabiskonsum, beim Genuss von Zauberpilzen tendiert das Risiko süchtig zu werden gegen Null.
Individuelle soziale Schädigung durch Drogen gemäß van Amsterdam et al. 2009
Die oben stehende Abbildung zeigt die individuelle soziale Schädigung durch Drogen, respektive die soziale Gefährdung der Konsumenten. Hierunter versteht man das Risiko, dass der Konsument eingeht, sozial ausgegrenzt zu werden. Die Skala wird hier von Crack mit 2,6 Punkten angeführt, gefolgt von Heroin mit 2,5 Punkten. Auf Rang 3 liegt Alkohol mit 2,2 Punkten gefolgt von Tabak mit 2,1 Punkten. Cannabis liegt hier mit 1,3 Punkten auf Rang 10, LSD mit 0,8 Punkten auf Rang 16 und die Zauberpilze mit 0,7 Punkten auf Rang 18 der Gefährlichkeitsskala.
Sozialer Schaden für die Gesellschaft durch Drogen gemäß van Amsterdam et al. 2009
Die oben stehende Abbildung zeigt die soziale Schädigung der Gesellschaft durch Drogen, respektive die soziale Gefährdung der Gesellschaft als Ganzes oder insbesondere im Umfeld der Konsumenten. Alkohol wird in der Studie als gefährlichste Droge für die Gesellschaft eingestuft und liegt mit 2,8 von 3 möglichen Punkten vor allen anderen Drogen, gefolgt von Tabak mit 2,3 Punkten. Cannabis liegt hier mit 1,5 Punkten im Mittelfeld der Gefährlichkeitsskala und die Zauberpilze mit 0,4 Punkten und LSD mit 0,3 Punkten im unteren Bereich der Gefährlichkeitsskala.
Individuelle Schädigung durch Drogen insgesamt gemäß van Amsterdam et al. 2009
Die oben stehende Abbildung zeigt die individuelle Schädigung durch Drogen insgesamt, das heißt die gesundheitliche und soziale Gefährdung insgesamt von Konsumenten von Drogen. Das höchste Risiko gehen Konsumenten von Crack und Heroin ein. Crack liegt mit 2,63 Punkten auf Rang 1 der Gefährlichkeitsskala gefolgt von Heroin mit 2,53 Punkten. Auf Rang 3 liegt Tabak mit 2,20 Punkten gefolgt von Alkohol mit 2,16 Punkten. Cannabis liegt mit 1,19 Punkten auf Rang 12, LSD mit 0,55 Punkten auf dem vorletzten Rang und die Zauberpilze liegen mit 0,40 Punkten auf dem letzten Rang der Gefährlichkeitsskala.
Gesellschaftlichen Schaden durch Drogen insgesamt gemäß van Amsterdam et al. 2009
Die oben stehende Abbildung zeigt den gesellschaftlichen Schaden durch Drogen insgesamt. Auch hier liegt Crack auf Rang 1 (mit 2,41 Punkten). Auf Rang 2 folgt hier Alkohol mit 2,36 Punkten. Tabak liegt auf Rang 4 mit mit 2,27 Punkten, Cannabis auf Rang 11 mit 1,26 Punkten. LSD liegt hier auf dem vorletzten Rang mit 0,46 Punkten und die Zauberpilze liegen auch hier auf dem letzten Rang und erreichen gerade einmal 0,31 Punkte.
Cannabis Social Clubs legalisieren
Auf Grund der Studien von Nutt et al. (Imperial College London) und von van Amsterdam et al. 2009 (Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieu, RIVM) gibt es keinen vernünftigen Grund, Cannabis Social Clubs in Deutschland nicht zu legalisieren. Cannabis Social Clubs organisieren für ihre Mitglieder den Anbau und die Verteilung psychoaktiver Hanfprodukte in kontrollierter Qualität jenseits von Schwarzmarktstrukturen. Gesundheitsgefährdende Streckmittel werden verhindert. Damit wird ein wichtiger Schritt in Richtung Gesundheitspolitik getan. Ökonomisch wird ein Abwandern von Gewinnen in dunkle Kanäle blockiert, da die Cannabis Social Clubs sich als non-profit Unternehmen verstehen (gemeinnützige Genossenschaften oder Vereine) und nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind. Cannabis Social Clubs sind in der Lage, sich in sozialer und kultureller Hinsicht zu engagieren und eine sinnvolle, nicht auf Abstinenz ausgerichtete Prävention zu unterstützen. Cannabis Social Clubs sind ein Modell, in dem transparent, kontrolliert und reguliert Hanf angebaut und verteilt wird und somit auf diese Weise die Sicherheitspolitik des Landes unterstützt wird. In Spanien gibt es bereits hunderte von Cannabis Social Clubs, die erfolgreich funktionieren.
Plädoyer für Magic Mushroom Social Clubs
Magic Mushroom Social Clubs sind ein Pendant zu Cannabis Social Clubs. Sie bieten die gleichen Vorteile wie Cannabis Social Clubs, sind jedoch nicht auf die Kultur von Pflanzen, sondern auf die Kultur von Zauberpilzen ausgerichtet. Das Züchten von Zauberpilzen verlangt mehr Sachkunde als das Züchten von Cannabispflanzen, insbesondere, da bei einigen Arbeitsgängen steril gearbeitet werden muss. Gemeinschaftlich gelingt dies oft besser, als wenn ein Laie beginnt, mit der Pilzzucht zu experimentieren. Da Zauberpilze als weniger gefährdend eingestuft werden als Cannabis und viele andere Drogen, ist auch die Schwelle für eine amtliche Genehmigung von Magic Mushroom Social Clubs wohl niedriger einzustufen als dies bei den Cannabis Social Clubs der Fall ist. Magic Mushroom Social Clubs sind auf jeden Fall geeignet, den Bedarf an neue psychoaktive Substanzen (NPS) zu senken. Dies ist vor allem deshalb relevant, weil die Risiken, die mit dem Konsum von NPS verbunden sind, bis dato kaum bekannt sind, jedoch von vielen Experten als unberechenbar hoch eingeschätzt werden.
Fazit
Die Einstufung als legale beziehungsweise illegale Droge korreliert kaum mit der Einschätzung der Gefährlichkeit, wie sie in den hier zitierten Studien dargelegt wurden. So figurieren beispielsweise Cannabis, Ecstasy, LSD und Zauberpilze weit unten auf dem Ranking der Gefährlichkeitsskalen im Unterschied zu Alkohol und Tabak, die als viel gefährlicher eingestuft werden. Nutzen, Schäden und Risiken beim Drogengebrauch sind multidimensional und erscheinen auf vielen Ebenen.
Es ist sozusagen unmöglich, unabhängig vom sozialen Kontext die Schädlichkeit einzelner Drogen einzuschätzen, zu quantifizieren und mit der Schädlichkeit anderer Drogen zu vergleichen. Somit sind Gefährlichkeitsabschätzungen immer auch von den Auswirkungen regulatorischer Kontrollsysteme beeinflusst. Angesichts der fehlenden wissenschaftlichen Basis und Evidenz für die gegenwärtige Drogenpolitik sind diese Bedenken zweitrangig und die Arbeiten von Nutt et al. sowie von van Amsterdam et al. bedeuten einen großen Schritt vorwärts in Richtung einer rationaleren Drogenpolitik.
Dies bedeutet, dass eher der Umgang mit psychoaktiven Substanzen als Grundlage für Gefährlichkeitsabschätzungen dienen müsste als die einzelnen Substanzen selbst. Weiter erscheint es zentral zu sein, die soziale Einbettung einer Substanz insofern zu beachten, als dass Ritualisierungen wohl weit mehr als Verbote die Kontrolle über den Konsum psychoaktiver Substanzen übernehmen können. In dem Sinne sollten in erzieherischen und präventiven Programmen Ritualisierungen als Konsummuster stärker als bisher gewichtet werden.
Vor dem Konsum von Psychedelika wie LSD oder Psilocybin (Wirkstoff der Zauberpilze) sollte man jedoch auf jeden Fall Fachinformationen für den nichtmedizinischen Gebrauch von Psychedelika genau studieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob man die Psychedelika für spirituelle, rituelle, hedonistische oder ludische Zwecke nutzen will.
Am 7. November 2019 wurde der Jahresbericht der deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) für das Jahr 2018 veröffentlicht. Der Bericht liefert umfangreiches Zahlenmaterial und Hintergrundinformationen zur Drogensituation in Deutschland. Die Preise und Reinheitsgehalte der auf dem Schwarzmarkt gängigen Drogen sind in dem Workbook Drogenmärkte und Kriminalität enthalten.
Handel und Schmuggel
Gemäß Bundeslagebild 2018 des Bundeskriminalamtes (BKA), das am 30. September 2019 veröffentlicht wurde, wird der Handel mit Kokain in Deutschland vorwiegend von Ausländern bewerkstelligt. Von insgesamt 3.839 Tatverdächtigen waren 2018 – wie im Vorjahr – rund 42 Prozent deutsche Staatsangehörige. Unter den 2.222 nichtdeutschen Tatverdächtigen dominierten türkische (13 Prozent), vor albanischen (12 Prozent) und libanesischen (7 Prozent) Staatsangehörigen.
Nachdem im Jahr 2017 – insbesondere aufgrund einzelner Großsicherstellungen in Häfen – mit rund 8 Tonnen eine Rekordsicherstellungsmenge von Kokain in Deutschland verzeichnet wurde, belief sich die Gesamtsicherstellungsmenge nach polizeilichen Erkenntnissen im Berichtsjahr auf gut 5 Tonnen. Nach dem Vorjahr stellt dies die bislang zweitgrößte Gesamtsicherstellungsmenge von Kokain in Deutschland dar. Nachdem bereits 2017 in Antwerpen und Rotterdam, den Haupteinfallstoren für Kokain aus Südamerika nach Europa, insgesamt rund 46 Tonnen Kokain sichergestellt wurden, meldeten die genannten Häfen für das Jahr 2018 mit insgesamt rund 70 Tonnen einen neuerlichen Sicherstellungsrekord. Die Beschlagnahmung von solch großen Mengen hatte jedoch keine Auswirkungen auf den Schwarzmarkthandel. Es wurden deswegen keine Lieferengpässe und auch keine Preissteigerungen beobachtet. Und auch die Reinheit des gehandelten Kokains hat deswegen nicht abgenommen. Drogenhändler berichten, dass die Beschlagnahmungen den Handel nicht stärker beeinträchtigen täten, als Ladendiebstähle den Handel mit anderen Konsumgütern.
Die Reinheit von Kokain im Zeitvergleich
Im Straßenhandel zeigte sich in den letzten Jahren eine signifikante Erhöhung des Wirkstoffgehaltes von Kokain. Vor zwei Jahrzehnten pendelte der Wirkstoffgehalt von im Kleinhandel angebotenen Kokain in Deutschland gemäß Jahresberichte der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) zwischen 40 Prozent und 50 Prozent. Nach der Jahrtausendwende sank der Wirkstoffgehalt bis zum Jahr 2006. Kokain kam damals mit einem Wirkstoffgehalt von durchschnittlich 24,6 Prozent in den Straßenhandel. Seit dem hat sich der Wirkstoffgehalt mehr als verdreifacht und lag im Jahr 2018 bei durchschnittlich 77,0 Prozent.
Übersicht über die Entwicklung der Wirkstoffgehalte für Kokain in Deutschland als Zeitreihe von 1996 bis 2018 (blaue Linie) und in der Schweiz von 2007 bis 2018 (rote Linie). Datenquellen: DBDD: Jahresberichte, Drogenmärkte und Kriminalität; Safer Party Zürich.
In der Schweiz enthielten 2018 über 60 Prozent der untersuchten Proben einen Wirkstoffgehalt von mehr als 80 Prozent, gut 20 Prozent einen solchen zwischen 60 und 80 Prozent. Der Kokaingehalt der analysierten Proben variierte stark und lag zwischen 2,3 Prozent und 100,0 Prozent Kokain-HCl (HCl = Hydrochlorid). Der durchschnittliche Wirkstoffgehalt lag 2018 bei 77,8 Prozent. Der durchschnittliche Wirkstoffgehalt der im DIZ und bei den mobilen Drug-Checkings getesteten Kokainproben lag im dritten Quartal 2019 bei 81,7 Prozent Kokain-HCl. Im Verglich zu 2018 entspricht dies einer Zunahme von 5 Prozent. Da seit ein paar Jahren nur noch minimale Unterschiede bezüglich der Reinheit von Kokain in Deutschland und der Schweiz bestehen, kann davon ausgegangen werden, dass auch in Deutschland die Reinheit im Jahr 2019 nicht abgenommen, sondern eher zugenommen hat.
Im dritten Quartal 2019 waren in der Schweiz 34,9 Prozent aller Kokainproben, welche im DIZ oder bei den mobilen Drug-Checkings zur Analyse abgegeben wurden, mit mindestens einer pharmakologisch wirksamen Substanz gestreckt. Am Häufigsten wurde Levamisol (25,6 Prozent der Proben) und Phenacetin (5,8 Prozent) beigemischt. Des Weiteren wurden Lokalanästhetika (1,6 Prozent) und Koffein (7,4 Prozent) analysiert. 65,2 Prozent enthielten keine pharmakologisch wirksame Streckmittel.
Preisentwicklung von Kokain im Straßenhandel
Im Jahr 2018 lag in Deutschland der durchschnittliche Preis für ein Gramm Kokain in Straßenqualität bei 70,30 Euro. Im Vergleich zu 2003 lagen die Preise pro Gramm Kokain in Deutschland im Straßenhandel im Jahr 2018 etwa 17 Prozent über dem Preis von 2003, wobei die Qualität respektive der Reinheitsgrad besser respektive höher war als 2003. In diesem Zeitraum betrug die Teuerung (Inflationsrate) insgesamt gemäß Angaben des Statistischen Bundesamtes Statista etwas mehr als 24 Prozent. Der Kleinhandelspreis für Kokain in Straßenhandelsqualität stieg somit deutlich weniger stark an als die allgemeine Teuerung im gleichen Zeitraum. In den Jahren 2017 und 2018 sind die Preise im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr sogar etwas gesunken. In der folgenden Grafik sind die Preise für Kokain im Straßenhandel als Zeitreihe von 2003 bis 2018 dargestellt.
Kokainpreise im Straßenhandel in Deutschland – Zeitreihe der Preise in Euro pro Gramm von 2003 bis 2018. Datenquelle: DBDD: Jahresberichte, Drogenmärkte und Kriminalität.
Zum Vergleich: In den Niederlanden lag gemäß des Trimbos-instituut 2018 der durchschnittliche Preis für ein Gramm Kokain in Straßenqualität bei 49,30 Euro. In den letzten Jahren schwankte dort der Preis für ein Gramm Kokain in Straßenqualität zwischen 52,70 Euro im Jahr 2014 und 48,75 Euro im Jahr 2016. Auf dem niederländischen Schwarzmarkt herrscht bezüglich Kokain Preisstabilität mit kleinen Schwankungen, obwohl in den Hafenstädten Antwerpen und Rotterdam im Jahr 2018 vom Zoll etwa 70 Tonnen Kokain beschlagnahmt wurden. Solche Beschlagnahmungen haben offensichtlich keinen Einfluss auf das Marktgeschehen.
Kokainpreise bezogen auf den Wirkstoffgehalt
Da das Kokain im Straßenhandel heute mehr Wirkstoff enthält als in den vergangenen Jahren, erhält man heute im Straßenhandel mehr Kokain und weniger Streckmittel für sein Geld. Deshalb ist es von Interesse, wie viel man eigentlich für den eigentlichen Wirkstoff Kokain bezahlt. Hier zeigt es sich, dass man heute mehr Stoff für weniger Geld erhält.
Übersicht über die Entwicklung der Preise pro Gramm für den eigentlichen Wirkstoff Kokain (ohne die beigefügten Streckmittel) als Zeitreihe von 2003 bis 2018. Datenquelle: DBDD: Jahresberichte, Drogenmärkte und Kriminalität.
Im Vergleich zum Jahr 2003 zahlte man beim Straßenhändler im Jahr 2018 deutlich weniger für ein Gramm Wirkstoff Kokain – durchschnittlich nur etwa halb so viel. Im Jahr 2018 zahlte man in Deutschland wie auch im Vorjahr im Schnitt 91,30 Euro für ein Gramm Wirkstoff Kokain-HCl. De facto ist Kokain also in den letzten Jahren deutlich billiger geworden. Der Preis für eine Fahrkarte für Bus und Bahn zum Drogenhändler ist hingegen in der Zwischenzeit in Berlin um 33,3 Prozent teurer geworden. Das Ticket kostete im Jahr 2003 nur 2,10 Euro, heute bezahlt man dafür 2,80 Euro, ab 1. Januar 2020 sogar 2,90 Euro.
Safer Sniffing
Was nur wenige wissen: Auch das Teilen von Sniff-Utensilien wie Röhrchen oder Banknoten kann gefährlich sein. Schon kleine Verletzungen in der Nasenschleimhaut, welche gerade beim Sniffen durch scharfkantige Röhrchen entstehen können, genügen, um sich beispielsweise mit dem Hepatitis-Virus oder Herpes zu infizieren. Deshalb: Kein gemeinsames Benutzen von Röhrchen oder Banknoten beim Sniffen!
Alkohol + Kokain => Cocaethylen
Die Kombination von Kokain und Alkohol wird in gewissen Gesellschaftsschichten nicht selten bei festlichen Anlässen (Hochzeitstagen, Geburtstagsfeiern, Firmenjubiläen) den geladenen Gästen angeboten. Da solche Anlässe zumeist mit einem alkoholischen Aperitif (Apéro) beginnen und das Kokain erst nach dem Konsum alkoholischer Getränke offeriert wird, ist mit einer verstärkten Wirkung des Kokains zu rechnen und zudem macht sich der Alkoholrausch bei den Gästen (wie auch bei den Gastgebern) nicht so stark bemerkbar, da eine Einnahme von Kokain nach dem Konsum von Alkohol zur Bildung der Substanz Cocaethylen im Körper führt. Cocaethylen hemmt die Wiederaufnahme von Dopamin in gleicher Weise wie Kokain und es kommt zu einer deutlichen Verstärkung und Verlängerung der Wirkung des Kokains auf die vitalen Funktionen, zu einer Steigerung des Aktivitätsdrangs und zu einer Minderung des Alkoholrausches. Konsumiert man hingegen zuerst das Kokain und trinkt erst eine Weile später alkoholische Getränke, tritt dieser Effekt kaum ein.
Cocaethylen ist ein Metabolit von Kokain, der während des Mischkonsums von Kokain und Alkohol in der Leber gebildet wird. Cocaethylen hat ähnliche Effekte wie Kokain, hat aber eine längere Halbwertszeit und ist toxischer. Die Halbwertszeit von Kokain beträgt etwa eine Stunde, die von Cocaethylen etwa zwei stunden und die von Benzoylecgonin (Metabolit von Kokain wie auch von Cocaethylen) beträgt etwa fünf Stunden. Alkohol (Ethanol) bewirkt in der Leber eine Hemmung (Inhibition) der Umwandlung von Kokain zu Benzoylecgonin (ein pharmakologisch nicht wirksamer Stoff, der mit dem Urin ausgeschieden wird), was einen höheren Kokainspiegel im Blut zur Folge hat. Studien zeigen, dass Cocaethylen die pharmakologische Wirkung von Kokain erhöht: Es kommt zu additiver euphorisierender und kardiovaskulär-toxischer Wirkung (erhöhte Herzfrequenz, erhöhter Blutdruck). Außerdem verringert sich die durch Alkohol bewirkte Sedierung, der Cortisolspiegel steigt höher an, als nach Kokainkonsum ohne Alkoholkonsum. Durch die längere Halbwertszeit von Cocaethylen und die gleichzeitige Hemmung der Umwandlung von Kokain zu Benzoylecgonin durch den Alkohol, ist der Metabolit Benzoylecgonin deutlich länger im Blut nachweisbar als nach dem alleinigen Kokainkonsum (ohne Alkoholkonsum).
Der Mischkonsum von Alkohol und Kokain stört gemäß diverser Studien auch die körpereigene Thermoregulation, was zu Todesfällen durch Hyperthermie führen kann, insbesondere wenn der Konsum in einem heißen Klima und bei höheren Umgebungstemperaturen getätigt wird. Der Mischkonsum von Alkohol und Kokain ist für viele eine Kombination der Wahl, doch sollte dies nicht zu einer alltäglichen Gewohnheit werden, denn bei weit mehr als der Hälfte der kokainabhängigen Personen, die sich deswegen medizinisch behandeln lassen, kann eine Alkoholabhängigkeit diagnostiziert werden. Alkohol wird oft konsumiert, um das Unbehagen zu lindern, das aus dem Nachlassen der Wirkung von Kokain resultiert. Die größten akuten Risiken, die man bei häufigem gleichzeitigen Konsum von Alkohol und Kokain eingeht, sind plötzliche Herzprobleme wie ein Herzstillstand oder ein Herzinfarkt und Herzrhythmusstörungen.
Parcelsus (Philippus Aureolus Theophrastus Bombastus von Hohenheim) war Arzt, Alchemist, Mystiker und Philosoph. Unter dem Titel Die dritte Defension wegen des Schreibens der neuen Rezepte schrieb er in Septem Defensiones im Jahr 1538 den oft von ihm zitierten Satz: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, dass ein Ding kein Gift sei.“ Ein altbekanntes deutsches Sprichwort bringt es analog und sinngemäß mit vier Wörtern genauso auf den Punkt: „Zuviel zerreißt den Sack.“